Die Mutter aller Casting-Shows

Ramona Oriold (19) aus Augsburg ist die schönste Frau Münchens – und in ganz Südbayern. Die Miss-Wahl fand in der Therme Erding statt.
von  Abendzeitung
Ramona (l.) und Kristiana schreiten Seite an Seite über den Laufsteg.
Ramona (l.) und Kristiana schreiten Seite an Seite über den Laufsteg. © Daniel von Loeper

Ramona Oriold (19) aus Augsburg ist die schönste Frau Münchens – und in ganz Südbayern. Die Miss-Wahl fand in der Therme Erding statt.

Der Tag beginnt mit einem Scherbenhaufen. Auf dem Weg nach Erding verliert „Miss München“ die Kontrolle über den Passat ihrer Eltern. Der VW rammt die Leitplanke, die komplette rechte Fahrzeugseite ist Schrott. Immerhin: Weder Ramona Oriold noch ihrer besten Freundin Anja ist etwas passiert – und bis zur Therme schafft es die ramponierte Familienkutsche auch. Dort konkurrieren an diesem Sonntag 20 junge Frauen aus dem Freistaat um den Titel der „Miss Bayern-Süd“. Ramona ist eine von ihnen, Anja ihr Maskottchen. Geschockt sind beide.

Stunden später steht Ramona perfekt gestylt an der Treppe zum Catwalk. „Ja, ich möchte schon bekannt werden“, sagt sie absolut cool. Den ganzen Nachmittag haben die Mädchen an der Choreografie geprobt. Jetzt geht es los. Zuerst bittet die Moderatorin die 14 Herren auf die Bühne, die sich um den Titel „Mister Bayern 2009“ bewerben. Dann sind die Frauen dran – Ramona als erste. In einem fließenden lila Abendkleid mit tiefem Ausschnitt gleitet die 19-Jährige über den Laufsteg, unter ihr funkelt das grünblaue Wasser der Therme im Scheinwerferlicht.

Wie man sich da oben richtig bewegt, hat Ramona vor dem Fernseher gelernt. Sie ist Fan von „Germanys Next Topmodel“ und bewundert Heidi Klum. „Die ist wirklich eine tolle Frau: drei Kinder, eine Wahnsinnsfigur und so angenehm herzlich. Das gefällt mir schon“, sagt sie. Dem Miss-Wahl-Publikum wiederum gefällt Ramona. Ihr Abendkleid-Auftritt wird wild beklatscht.

Seit Mittag planscht Ramonas Familie im Wasser

Ganz vorne im Wasser jubeln Anja, Ramonas Mutter Angela Oriold, Tante Biggi, Schwester Yvonne und Freund Konstantin. „Es ist schön, sein eigenes Model zuhause zu haben“, sagt der 21-Jährige und lächelt verschmitzt. Dass die Frau, mit der er seit vier Jahren zusammen ist, gleich im Bikini aufmarschieren wird, stört den Azubi nicht. „Ist doch super, wenn auch andere Männer meine Freundin gut finden.“ Und Ramona sei nicht nur schön, sondern auch gescheit, sagt Mutter Angela. „Sie hat ein Stipendium von der IHK Schwaben.“

Seit Mittag harrt die Familie schon in der Therme aus. „So sauber waren wir noch nie.“ Yvonne hält die verschrumpelten Hände hoch, beide Daumen fest für die Schwester gedrückt. Ramona wird am Ende das Krönchen tragen – das steht für die 23-Jährige außer Frage. „Sie hat den richtigen Drive, kommt am natürlichsten rüber und außerdem: Scherben bringen Glück.“ Dass Vater Oriold nicht mitplanschen kann, liegt daran, dass er sich um den Unfallwagen kümmern muss.

Auf der anderen Seite des Beckens sitzt der Miss-Waldkraiburg-Fanclub an einem Bistro-Tisch. Auch hier herrscht Sieges-Gewissheit. „Unsere Tanja gewinnt, weil sie hübsch und intelligent ist“, sagt Vater Josef Maderholz, der sich das Konterfei seiner 19-jährigen Tochter auf den T-Shirt-Rücken gedruckt hat. Ein bisschen mulmig wird ihm bei dem Gedanken dann doch. „Mein Mädel allein im Miss-Germany-Trainingslager in Dubai? Auf keinen Fall. Dafür müsste ich mir freinehmen“, grübelt der selbstständige Baudienstleister.

Kristiana Rohder (25) ist ganz allein angereist. In der Umkleidepause sitzt die Studentin hinter der Bühne auf dem Boden und tippt SMS. Die „Miss Garmisch“ wohnt in München. Wie das geht? „Nur bei den Wahlen auf Bundesland-Ebene ist es wichtig, dass die Mädchen aus dem Land kommen, in dem sie antreten. Bei den Vorwahlen können Damen von überall her mitmachen“, erklärt Torsten Krüger vom Veranstalter „Miss Germany Corporation“.

So kommt es, dass „Miss München“ Ramona in Augsburg lebt und „Miss Garmisch“ sich im 8Seasons-Club um Gäste und Reservierungen kümmert. „Ich habe vier Jahre in Westminster studiert und bin erst vor kurzem zurückgekommen“, erzählt Kristiana. „Da war die Miss-München-Wahl schon gelaufen. Deshalb habe ich es in Garmisch probiert.“ Jedes kleine Mädchen träume doch davon, einmal bei einer solchen Veranstaltung mitzumachen, sagt die 1,83-Meter große Single-Frau.

Beim nächsten Durchgang schreiten Ramona und Kristiana Seite an Seite über den Steg. Ramona im schwarzen Bikini mit beige-gestreiften Kreisen, Kristiana in rot-weißen Streifen auf dunklem Grund. Der Männer-Anteil im Becken ist gestiegen, die Schönheitsköniginnen werden mit wohlwollendem Getöse empfangen. Eine Gruppe Jungs ist derart aus dem Häuschen, dass einem vor Begeisterung sein Plastikbecher mit Bier ins Wasser fällt.

Dabei komme es bei einer Miss-Wahl nicht so sehr auf die Figur an, sagt Jessica Seifert. „Misses Germany“ (ein Titel für verheiratete Frauen) sitzt in der Jury. „Eine Miss tritt kaum im Bikini auf, sondern meist in schönen Kleidern“, erklärt die 28-jährige Polizistin aus Aschaffenburg. „Viel wichtiger ist das Gesicht. Es muss klassisch schön sein und viele Menschen ansprechen.“ Trotzdem zieht sich das Gremium erst nach einem weiteren Bademoden-Durchgang zur Beratung zurück. Von seiner Punktevergabe hängt ab, welche zehn Mädchen am 10.Januar zur Wahl der „Miss Bayern“ antreten dürfen. Die Schönste bekommt zudem ein Handy, ein Wohlfühlwochenende und einen Trolley.

Der Siegerin verschlägt es die Sprache

Auf der Rauchertrasse hadert eine Miss-Mutter mit dem Schicksal. Die Leute seien zu faul zum Applaudieren, ärgert sie sich. Drinnen lehnt sich Ramona erschöpft an ihren Freund. Nach dem fünften Mal Umziehen trägt sie wieder das lila Abendkleid. Sie hat Durst. Ihre Füße sind geschwollen. „Zieh die Schuhe nicht aus, du kommst nie wieder rein“, rät Mama Angela.

Zurück auf die Bühne, der letzte Akt: Ramona hat Schmerzen und lächelt professionell. Der neue „Mister Bayern“ heißt Sven Morgenroth, ist Kung-Fu-Europameister und kommt aus Bamberg.

Und „Miss Bayern-Süd“? Die heißt Ramona Oriold und schlägt jetzt die Hände vor’s Gesicht. Den ganzen Tag war sie locker. Plötzlich weiß sie nicht mehr, was sie sagen soll. „Das ist unglaublich“, haucht sie ins Mikro. „Wahnsinn.“ Am Bühnenaufgang steht Yvonne Oriold. Sie strahlt. Weil ihre Schwester gewonnen hat – und ihre Prophezeiung eingetreten ist. „Ich hab’s gesagt: Scherben bringen Glück.“

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