Die Mittelklasse unter dem Teppich

Ausgeschnittene Wirklichkeit: Stefan Saffer, der nach 12 Jahren erstmals wieder in Nürnberg ausstellt, zeigt mit "Unter Teppichen" aktuelle Arbeiten im Kunstverein Kohlenhof
von  Abendzeitung
Als sei’s eine Leihgabe vom Erzbischof: Stefan Saffer arbeitete einen lila Teppichboden zur anspielungsreichen „Bühne“ um.
Als sei’s eine Leihgabe vom Erzbischof: Stefan Saffer arbeitete einen lila Teppichboden zur anspielungsreichen „Bühne“ um. © Klaus Schillinger

Nürnberg - Ausgeschnittene Wirklichkeit: Stefan Saffer, der nach 12 Jahren erstmals wieder in Nürnberg ausstellt, zeigt mit "Unter Teppichen" aktuelle Arbeiten im Kunstverein Kohlenhof

Die „Mittelklasse“ steht sichtbar auf verlorenem Posten. Das Buch mit dem lyrischen Titel „Middle Classes“ ist zum Handfeger aufgeblättert und könnte mit dem Wortsalat, den Stefan Saffer am anderern Ende der schreiend lilafarbenen Teppicbodenrolle angerichtet hat, reichlich überfordert sein. „Stage“, Bühne, nennt der Anwalt der Verdrängung sein unausweichliches Objekt, das den Kunstverein Kohlenhof in Beschlag nimmt. Und zum Rätsel ausgerollt ist. Denn zum Buchstabieren, sagt Saffer, taugt seine ausgestanzte Typographie nicht: „Die Leute beißen sich die Zähne daran aus.“

„Unter Teppichen“ nennt Stefan Saffer die Ausstellung, mit der er nach zwölf Jahren erstmals wieder in Nürnberg vertreten ist. Der 38-Jährige, der an der Akademie bei Pfahler und Dienst studierte, mit Gummiringen experimentierte und diese Art von Linienführung mit anderen Materialien beibehielt, lebt in Berlin, unterbrochen von Aufenthalten in New York, Dessau und London . Immer noch kratzt er mit Vorliebe an der Wahrnehmung und liefert Schnittmuster, die den Durchblick auf Löcher in der Realität zulässt. Die tickende Uhr, die Kuckuck, Zifferblatt und damit Zeitgefühl verbirgt. Die in einen Block eingeschweißten Ruderblätter, die spöttisch einen „Aufbruch“ (so der Titel) symbolisieren. Saffer verfremdet, schneidet Zeichnungen zurecht. Etwa beim Triptychon, das ums „ICH“ kreist, stilistisch zwischen phantastischer Romantik und mittelalterlicher Illustration schwankt und um eigenen Standpunkte ringt: „Du bist nicht, was du zu sein glaubst“ erscheint als Gedankengerüst. Womit wir wieder bei der Verdrängung wären. Durchlässige Gespinste entstehen durch den Einsatz von Messer und Schere. „Das Spannende am Schnitt ist“, sagt Saffer, „das geht nie mehr zurück.“ daer

Kunstverein Kohlenhof (Gustav-Adolf-Str. 33): bis 12. Juli, Fr/Sa 14-18 Uhr

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.