Die Medien sind schuld? Empörung über Müller

Die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche: Der Regensburger Bischof Müller sieht eine Medienkampagne und vergleicht die Presse mit NS-Hetze gegen Katholiken. Mit diesen Aussagen sorgt er für Unverstädnis.
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sorgt für Aufregung: Er wirft den Medien im Missbrauchsskandal eine „Kampagne gegen die Kirche“ vor. In seiner Predigt anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Katholischen Deutschen Frauenbundes sagte Müller laut Bayerischem Rundfunk, den Medien ginge es darum, „die Glaubwürdigkeit der Kirche zu erschüttern“. Er verglich die Berichterstattung mit der kirchenfeindlichen Haltung der NS-Zeit. „Jetzt erleben wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche“, sagte er und rief die Katholiken zur Treue auf, „so wie auch damals die Katholiken treu gewesen sind, der Kirche Jesus Christus Jesus Christus.“
Durch verkürzte und manipulierte Berichte und die ständige Wiederholung „von Vorgängen aus alter Zeit“ würde der Eindruck erweckt, „die Kirche – das ist eine Institution, wo die Leute völlig verdorben sind“, sagte Müller in seiner Predigt.
In einem Hirtenbrief verurteilte Bischof Müller sexuellen Missbrauch von Kindern als „Todsünde“, allerdings nicht, ohne antikatholische Hetze zu vermuten. „Solche, die um jeden Preis die katholische Kirche um ihren Ruf bringen wollen, haben sich die ’Regensburger Domspatzen’ als Opfer ausgesucht.“ Ein Glanzstück des Bistums solle „in den Dreck gezogen werden“. Bei dem Knabenchor soll es zu zahlreiche Missbrauchsfällen gekommen sein – Opfer berichten unter anderem von Schlägen bis in die 90er Jahre hinein.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte: „Unglaublich, wie mit solchen Aussagen Geschichtsfälschung betrieben wird.“ Der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Franz Maget (SPD), nannte die Äußerungen „unerträglich und unverzeihlich“. Jeder Anschein, „dass das Institut Kirche vor die Interessen der Betroffenen gestellt wird“, füge der Kirche schweren Schaden zu.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtags-Grünen, Ulrike Gote, fordert den Rücktritt. Der Bischof habe sich „untragbar“ gemacht. „Der erschreckende Starrsinn, sein Unvermögen, endlich das Mitgefühl mit den Opfern in den Mittelpunkt zu stellen und nicht um jeden Preis den Ruf der katholischen Amtskirche retten zu wollen, machen alle Bitten um Vergebung schal und unglaubwürdig“, sagte Gote.
Müller ist bekannt für rigiden Führungsstil und provokante Äußerungen, mehrmals wurde auch von Gläubigen in seinem Bistum gegen Müller demonstriert. Besonders heikel ist in diesem Fall aber, dass Müller schon einmal wegen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch in Misskredit geraten ist.
2008 wurde der Priester Peter K. wegen jahrelangen sexuellen Missbrauchs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er hatte gestanden, sich von 2003 bis 2006 in Rietkofen an einem Ministranten vergangen zu haben. Dorthin versetzt wurde er von Müller – obwohl Peter K. bereits im Jahr 2000 zu einer dreijährigen Bewährung verurteilt worden war und ein Gerichtsgutachter ihm damals Pädophilie attestierte – und obwohl in den kirchlichen Leitlinien von 2002 steht, dass ein verurteilter Pädophiler nicht mehr mit Kindern arbeiten darf.
Das Landgericht Regensburg kritisierte nach dem Prozess gegen Peter K. klar die Bistumsleitung. Bischof Müller aber entschuldigte sich nicht bei der Familie des Opfers, stritt jegliche Mitverantwortung ab und sprach von „Diffamierung“. Tina Angerer