„Die Liebe zur Wüste ist stärker“
NÜRNBERG - Der Abenteurer Michael Martin ist mit Vorträgen zu Gast in Nürnberg und Lauf. In der AZ spricht er über seine Mofa-Tour nach Marokko, die Vorteile von Spaghetti und seine besondere Beziehung zu Nürnberg
Michael Martin (46) ist in Gersthofen bei Augsburg aufgewachsen. Er ging dort in die Schule. Damals entstand seine Leidenschaft für die Astronomie – der Grund für seine erste Wüsten-Tour. Seit 30 Jahren ist der Diplom-Geograf als Abenteurer und Fotograf in den Wüsten dieser Erde unterwegs. Sein Geld verdient er mit dem Verkauf von Büchern, Kalendern und seinen Dia-Vorträgen, zu denen er immer live spricht. Die nächsten finden in der Region am 17. 3. im Gemeinschaftshaus Langwasser, am 24. und 25. 3. im Dehnberger Hoftheater in Lauf statt. Die Vorträge sind immer schnell ausverkauft. Deshalb zum Vormerken: Michael Martin am 28. Januar 2011 (!) in der Comödie Fürth. Online-Reservierung unter: www.michael-martin.de.
AZ: Begonnen hat Ihr Abenteurerleben vor 30 Jahren. Damals sind Sie mit dem Mofa von Gersthofen bei Augsburg, wo Sie aufgewachsen sind, nach Marokko gefahren. Wie verrückt muss man für so eine Reise sein?
MICHAEL MARTIN: Ich war als Schüler ein begeisterter Astronom. In der Schule hatten wir eine kleine Sternwarte. Wir waren immer mal wieder in den Alpen mit dem Fahrrad unterwegs, um Sterne zu beobachten. Und nach der elften Klasse habe ich mir vorgenommen nach Marokko zu fahren, um das Kreuz des Südens zu sehen.
Und warum mit dem Mofa?
Eigentlich war die Reise ja mit dem Fahrrad geplant. Aber ich hatte kurz davor einen Knieschaden gehabt. Bei einer Probetour sind mein Reisepartner und ich mit dem Rad über den Brenner gefahren. Und danach sagte der Arzt, dass die Belastung zu hoch ist. Also haben wir Mofas genommen.
„Das Ziel hat uns für alle Strapazen entschädigt“
Wie lang waren Sie dann unterwegs?
Für die Hinfahrt brauchten wir über fünf Wochen, heim ging's mit dem Flugzeug. An den großen Alpenpässen mussten wir trotzdem ganz schön strampeln, weil es der kleine Motor nicht geschafft hat. Aber das Ziel hat uns für allen Strapazen entschädigt. Damals habe ich das erste Mal die Wüste gesehen. Das hat mich gepackt, wie ich da am Rand der Sahara saß. Damals entstand meine Leidenschaft für die Wüste.
Haben Sie dann das Kreuz des Südens gesehen?
Ja. Die Sterne begleiten mich heute noch. 1985 habe ich eine totale Sonnenfinsternis vom Flugzeug aus beobachtet. Und ich fliege heute noch einer Sonnenfinsternis hinterher. Die Liebe zu den Sternen ist geblieben. Aber die Liebe zur Wüste ist stärker.
Wie kam es dazu, dass diese Liebe Ihr Leben so sehr bestimmt? Sie hätten ja auch einen ganz normalen Beruf ergreifen können.
Ich habe Geografie, Völkerkunde und Politik studiert und habe als Diplomgeograf abgeschlossen. Da hätte sich sicher auch was anderes angeboten. Aber das Reisen und Fotografieren war schon immer meine Leidenschaft. Aber ich bin auch Geograf. Mein Buch „Wüsten der Erde“ ist klassische Länderkunde. Es gilt als das Standardwerk über die Wüsten. Das ist Geografie pur.
Aber ein Job im Büro kam für Sie nie in Frage?
Nein. Aber ich bin kein Aussteiger, der sein Hobby dann zum Beruf gemacht hat. Mein ganzes Leben ist Reisen, Fotografieren und darüber berichten. Die Lust zum Fotografieren habe ich von meinem Vater. Mit 14 Jahren habe ich mir meine erste Spiegelreflex-Kamera gekauft, eine einfach Minolta SRT 101b. Und mein rednerisches Talent hat mir wohl meine Mutter in die Wiege gelegt.
Schon nach ihren ersten Touren haben Sie Vorträge gehalten.
Ich habe nie Tagebuch geführt. Meine Kamera war immer mein Tagebuch. Ich habe alles fotografiert. Egal, ob es das kaputte Knie war, ein Dokument oder eine Kuriosität am Straßenrand. So sind auf meinen Reisen rund 650.000 Dias entstanden. Zu meinem ersten Dia-Vortrag kamen 15 Leute. Der ging über eine Fahrradtour in den bayerischen Alpen und kostete drei Mark Eintritt. Aber mit 18 Jahren, mit meinem Vortrag „Sahara mit dem Mofa“, war ich schon in Nürnberg im Caritas-Pirckheimer-Haus.
Und da war Ihnen klar, dass Sie Vortragsreisender werden?
Der Schlüssel dazu, dass ich dieses Leben führen kann, sind die Vorträge. Da ist keiner da, der mir reinredet.
Und Sie können davon leben?
Ich lebe gut davon. Wir sind inzwischen ein kleines Unternehmen mit einigen Mitarbeitern. Ich finanziere die Reisen vor. Und das Geld kommt später durch meine Vorträge und Bücher wieder rein. Es gab nie einen großen Sponsor und auch keinen Verlag oder Sender, der die Reisen finanziert. Inzwischen habe ich 1400 Vorträge gehalten. Bei meiner letzten Tournee war ich in Deutschland 450.000 Kilometer unterwegs.
Die ersten Reisen haben Sie sich zum Teil auch dadurch finanziert, dass Sie die alten Peugeots nach der Sahara-Durchquerung in Westafrika verkauft haben. Wie kamen Sie aufs Motorrad?
Anfang der 1990er Jahre machte die politische Situation Reisen durch die Sahara unmöglich. Dann in Ostafrika oder in Südafrika im Geländeauto herumzufahren – das war mir zu langweilig. Ich kam in Kontakt mit BMW und habe dort meine erste Maschine bekommen. Auf dem Motorrad ist man viel näher an Land und Leuten. Und selbst bekommt man jeden Temperaturunterschied, jeden Geruchsunterschied mit. Und man fällt bei Behörden nicht so sehr als professioneller Beobachter auf. Das erleichtert das Reisen.
Aber auf ein Motorrad passt nicht so viel drauf. Vor allem, weil Sie bei ihren großen Touren zu zweit auf einer Maschine gefahren sind.
Mit Wasser, Benzin, meiner Foto- und der Filmausrüstung meiner Begleiterin Elke Wallner wog die Maschine mehr als 500 Kilo. Wenn man da durch Sanddünen fährt, muss man permanent wachsam sein. Trotzdem blieben Stürze nicht aus. Seit 1991 habe ich alle Reisen mit dem Motorrad gemacht. Da lernt man dann schon, wie man sicher durch den Sand und die Wüste kommt.
Sie waren nie allein unterwegs?
Nein, ich bin immer mit Freunden gereist, nie mit irgendwelchen Superspezialisten. Elke Wallner, eine meiner Reisebegleiterinnen, kommt aus Schwabach. Sie war mal beim „Plärrer“ und hat dann Filme gedreht. Sie hat die Reise durch die Wüsten der Erde mit der Videokamera dokumentiert. Von daher habe ich viele Kontakte nach Nürnberg. Wie schon gesagt, habe ich meine ersten Vorträge auch hier gehalten. Nürnberg war immer eine meiner Hochburgen.
Nochmal zurück zu den Reisen. Sie leben da viele Wochen ganz eng zusammen. Gibt's da nie Probleme?
Wir haben uns eigentlich immer gut verstanden. Wir hatten die selbe Einschätzung von Gefahren. Wir haben den selben Enthusiasmus: die Elke beim Filmen, ich beim Fotografieren. Was ich viel schwieriger fand, war das Zusammenleben im Alltag. Sie hat Kinder, ich habe Kinder, das ist eine klassische Patchworkfamilie. Das zu organisieren ist viel schwieriger, als einige Wochen zu zweit auf dem Motorrad unterwegs zu sein. Dadurch, dass wir beide von der Wüste und unserer Arbeit begeistert sind, funktioniert das gut. Auch wenn es im Zelt kalt ist, die Betten in den Unterkünften schlecht sind und es zum Abendessen nur Spaghetti ohne Soße und Beilagen gibt.
Warum ausgerechnet blanke Spaghetti?
Weil bei denen Packmaß und Gewicht in einem guten Verhältnis zum Nährwert stehen. Und sie sind schnell zu kochen. Denn in den Stunden um den Sonnenuntergang ziehe ich es vor zu fotografieren, weil da das Licht besser ist. Da will ich nicht lange schnippeln, bis es etwas zu essen gibt. Wichtiger als ein abwechslungsreiches Abendessen ist mir ein guter Kaffee zum Frühstück.
Haben Sie Ihre Kinder auch bei Ihren Reisen dabei?
Bei einigen waren meine Tochter Gina und mein Sohn David dabei. Er ist 13, sie ist 21 und studiert Fotografie. Aber es waren immer Länder, bei denen ich das Risiko verantworten konnte, also weder Afghanistan noch der Tschad.
Können Sie eigentlich auch ganz normal Urlaub machen?
Klar, mit der Familie in der Toskana oder am Gardasee. Auf meinen Reisen arbeite ich ja. Hier in Deutschland führe ich ein ganz normales Leben, mit Reihenhaus, Elternsprechtagen, Terminen mit den Kindern beim Kieferorthopäden und Rechnungen von den Stadtwerken.
Seit einigen Jahren fotografieren Sie digital, nachdem Einbrecher Ihre analoge Leica-Ausrüstung aus dem Keller gestohlen haben. Trotzdem nennen Sie Ihre Schauen weiterhin Dia-Vorträge.
Die Bilder sind digitalisiert und den Vortrag hat ein Studio in Erlangen digital produziert. Aber ich präsentieren die Fotos ohne Schnickschnack, Bild an Bild, ohne bewegte Sequenzen. Und ich kommentiere die Bilder live mit dem Mikrofon auf der Bühne. Dem Zuschauer ist es egal, ob hinten ein Beamer oder ein Projektor steht. Das Bild ist strahlend hell und riesengroß.
„Ich muss nicht mehr mit meinen Filmen im Schlafsack liegen“
Wie hat sich Ihre Fotografie durch die Digitaltechnik verändert?
Meine Ausrüstung ist kleiner geworden. Meine Nikon D3 wiegt einschließlich der neuen entwickelten Zoomobjektive ein Viertel meiner alten Ausrüstung. Und ich kann sie wieder auf dem Tankrucksack des Motorrads mitnehmen. Sie ist robust und liefert auch bei schlechten Lichtverhältnissen hervorragende Bilder. Und ich muss nicht mehr mit Dutzenden belichteter Filme im Schlafsack liegen, die ich dort vor Diebstahl schützte.
Wenn Sie schon alle Wüsten der Erde erkundet haben – gibt's überhaupt noch Raum für neue Projekte?
Ja. Ich habe 30 Jahre lang die Trockenwüsten bereist. Wir haben auf der Erde aber zwei weitere Arten von Wüsten: Die Eiswüsten, in denen die Kälte dafür sorgt, dass es keine Vegetation gibt, und edaphischen Wüsten. Hier fließen die Niederschläge im Boden ganz schnell ab. Deshalb können hier keine Pflanzen wachsen.
Und wo gibt es solche edaphischen Wüsten?
Zum Beispiel in Island. Da war ich im letzten Sommer bereits für mein neues Projekt unterwegs. Das heißt „Planet Wüste“. Nach Island werde ich in Grönland, Kamtschatka und Spitzbergen weitermachen. Diesen Sommer werde ich im nördlichen Polargebiet verbringen. Später geht's dann auf die Südhalbkugel.
Werden Sie bis zum Südpol vordringen?
Das ist geplant. Ebenso der Nordpol.
Mit dem Motorrad?
Nein. Für mich ist das Motorrad ein Vehikel. Ich bin kein Freak, der mit ihm überall hinfahren muss.
Und wann gibt's den neuen Vortrag zu sehen?
Ich habe über 700 Reisetage kalkuliert. Ab 2014 werde ich mit dem neuen Vortrag auf Tournee gehen.
Interview: Michael Reiner
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