Die Helden der Krise: Das Bayerische Rote Kreuz

Sie wurden gefeiert und beklatscht, gingen aber auch an ihre Grenzen: Die Mitarbeiter vom Bayerischen Roten Kreuz standen in der Pandemie in der ersten Reihe. In der AZ erzählen sie von ihren Erfahrungen.
von  Lisa Marie Albrecht, Leonie Fuchs
Robert Portenkirchner.
Robert Portenkirchner. © BRK, privat

Kein Homeoffice, dafür enorme Arbeitsbelastung: Für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, in Heimen und Kitas war das vergangene Jahr eine besondere Herausforderung.

Zum Weltrotkreuztag an diesem Samstag dankte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) für die "hervorragende Zusammenarbeit". Und auch BRK-Präsident Theo Zellner sagte: "Die Leistungen der Ehren- und Hauptamtlichen sind unverzichtbar für eine gesunde und solidarische Gesellschaft."

Doch was sagen sie selbst? Wie hat sich ihr Alltag verändert? Fühlen sie sich als "Helden der Krise"? Fünf BRKler berichten.

Katastrophenschutzbeauftragter: "Jeder ist ein Alltagsheld"

Tobias Muhr (39), Katastrophenschutzbeauftragter im BRK Cham: "In der Pandemie ist die Arbeit im Katastrophenschutz zeitintensiv und kurzlebig geworden. Man hat wenig Planungsspielraum, vieles wird ad hoc ins Leben gerufen. Die größte Herausforderung war es, flexibel auf die Situation zu reagieren und Konzepte trotzdem schnell und professionell mit dem Ehrenamt umzusetzen. Schulungen mussten weiter laufen, Schutzausrüstung optimiert, Hygiene- und Testkonzepte kurzfristig erarbeitet werden.

Tobias Muhr.
Tobias Muhr. © BRK, privat

Ein Ereignis, das für mich prägend war, hat gleich zu Pandemiebeginn stattgefunden: als die Reiserückkehrer aus China kamen. Freitagnacht wurden wir alarmiert, Samstag waren wir in Berlin, Menschen wurden in Quarantäne gesetzt. Wir haben versucht, das Eindringen des Erregers in das Land zu verhindern. Prägend waren auch unsere Einsätze in Seniorenheimen. Das sind Eindrücke, die man nicht vergisst - das Personal an der Belastungsgrenze, die Ansteckungsgefahr hoch. Wir haben alles Menschenmögliche getan, dennoch musste viel Personal in Quarantäne.

Wir haben bayernweit im Ehrenamt wahnsinnig viel geleistet, darauf bin ich stolz. Es war für alle Helfer eine lange, anstrengende Zeit. In der Gesamtheit haben wir das aber durchgestanden, waren präsent, hatten Lösungen und genug Helfer, deren Engagement unermüdlich und groß war. Für mich ist jeder, der seinen Teil beigetragen hat, ein Alltagsheld und kann stolz sein. Wir hoffen, dass die Wertschätzung für uns nach der Pandemie nicht vergessen wird."

Erzieherin und Kitaleiterin: "Kinder sollen mein Lächeln sehen"

Lea Erhard (26), Erzieherin und Kitaleiterin in Augsburg: "Das letzte Jahr war für uns alle sehr anspruchsvoll - und vor allem im ersten Lockdown, als wirklich kaum Kinder die Kita besuchen durften, waren viele Familien völlig auf sich allein gestellt. Das war für mich sehr frustrierend, denn jetzt im Nachhinein merkt man, wie sehr die Kinder darunter gelitten haben und immer noch darunter leiden - auch in Form von Entwicklungsrückschritten und sozialer Isolation.

Lea Erhard.
Lea Erhard. © BRK, privat

Bis heute beschäftigt uns, wie wir den Kontakt zu Kindern und Eltern halten können. Wir haben Briefe geschickt, E-Mails, die Sozialen Medien genutzt und zum Beispiel Videos gedreht, in denen wir Lieder gesungen haben und diese dann rumgeschickt. Im Laufe des vergangenen Jahres gab es zwar deutliche Fortschritte, inzwischen dürfen viel mehr Kinder und Eltern die Notbetreuung in Anspruch nehmen.

Für mich war es auch schön zu sehen, wie sehr die Wertschätzung für das gestiegen ist, was eine Kita eigentlich leistet. Dennoch braucht es jetzt umsetzbare Konzepte dafür, dass alle Kinder wieder in die Kita können. Im Alltag fehlt mir am meisten der unbeschwerte Kontakt und dass die Kinder unsere Emotionen erkennen können. Ich würde mir sehr wünschen, dass sie wieder mal mein Lächeln sehen - das war wegen des Maske-Tragens jetzt seit einem Jahr nicht möglich."

Luftretter: "Irre Szenen am Berg"

Luftretter Robert Portenkirchner (43), HEMS-TC am Rettungshubschrauber Christoph 14 in Traunstein: "Wir hatten das Glück, keinen Einsatz zu haben, bei dem sich im Nachhinein rausgestellt hat, dass es ein Corona-Fall war. Aber beim ersten Corona-Patienten erinnere ich mich noch gut daran, wie schwierig die Diagnosestellung war, weil man eben nicht nur auf den in diesem Fall Herzinfarkt, sondern auch auf zusätzliche andere Symptome achten musste. Am Anfang hatte man schon ein ungutes Gefühl, inzwischen ist es Alltag geworden.

Robert Portenkirchner.
Robert Portenkirchner. © BRK, privat

Was man coronabedingt auch gemerkt hat, war, dass die Leute das Bedürfnis nach draußen hatten - und es zu völlig irren Einsätzen am Berg gekommen ist. Von plötzlichen Klettersteigdurchschreitungen bei Schnee bis hin zu riskanten Skitouren bei hohen Lawinengefahrlagen. Die Leute sind - meinem Gefühl nach - unvorbereiteter in die Berge gegangen und waren riskanter unterwegs."

Pflegekraft: "So cool wie die Avengers - aber immer"

Barbara von der Wettern (39), Pflegefachkraft und Wohnbereichsleiterin Seniorenwohnen am Kieferngarten in München: "Ich sehe mich nicht als Heldin der Krise - das sind für mich diejenigen, die im Krankenhaus an vorderster Front zu tun haben. Aber ich bin sehr stolz, dass wir im Haus nur einen Corona-Ausbruch hatten und diesen schnell eingedämmt haben.

Barbara von der Wettern.
Barbara von der Wettern. © BRK, privat

Ein großes Thema für uns war die Isolierung der Bewohner. Um die Einsamkeit zu kompensieren, haben wir Bewohnern Whatsapp gezeigt oder Videotelefonate. Ich erinnere mich an eine Bewohnerin, die mir traurig erzählte, dass sie seit zwei Wochen Uroma ist. Also habe ich per Tablet ihre Enkelin angerufen und sie konnte so ihre Urenkelin sehen - ein sehr erfüllender Moment.

Die Impfungen sind für mich ein Lichtblick. Aber ich habe Sorge, dass die Anerkennung, die wir jetzt erfahren haben, verpufft. Wenn man uns als Krisenhelden sehen will, würde ich mir wünschen, dass wir Helden sind, die bleiben - ein bisschen wie die Avengers (Gruppe von Superhelden. d. Red.) - die sind ja auch immer cool und nicht nur, wenn sie einen schwierigen Auftrag haben."

Notfallsanitäterin: "Sperren wir jetzt den Rettungsdienst zu?"

Marie Praß Cuenca (25), Notfallsanitäterin und stellvertretende Wachleiterin in Dachau: "Eigenschutz ist ein ganz großes Thema im Rettungsdienst - und ich habe aus diesem Corona-Jahr mitgenommen, den noch stärker durchzusetzen. Ich weiß, dass ich mir keine Sympathiepunkte einhandele, wenn ich auf die Maske bestehe, aber es muss sein. Besonders am Anfang der Corona-Krise haben wir viel Wertschätzung erfahren: ganze Getränkekühlwägen, Boxen voller Eis, selbstgemachte Kuchen. Das ist ab dem Sommer eingebrochen - aber dieses Phänomen beobachtet man immer in solchen Situationen.

Marie Praß Cuenca.
Marie Praß Cuenca. © BRK, privat

Gleichzeitig hatten wir am Anfang wirklich brenzlige Momente. Ich erinnere mich an einen Tag im April, als wir nur noch 14 Masken hatten und uns gefragt haben: Was machen wir jetzt - sperren wir den Rettungsdienst zu? Inzwischen habe ich aber immer mehr schöne Momente - letztens sagte zum Beispiel eine ältere Dame bei einem Notfalleinsatz: ,Keine Angst, ich bin schon voll geimpft.' Das war großartig, weil sie richtig stolz darauf war."

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