Die große Wahl-Ungewissheit

„In der Wahlkabine menschelt's“, lautet ein Lehrsatz von CSU-Chef Seehofer. Vor der Kommunalwahl am Sonntag sind die wahlkämpfenden Parteien unisono optimistisch – doch wie immer wird es Wahlverlierer geben.
von  dpa
Wie geht die Kommunalwahl 2014 in Bayern aus?
Wie geht die Kommunalwahl 2014 in Bayern aus? © az

„In der Wahlkabine menschelt's“, lautet ein Lehrsatz von CSU-Chef Seehofer. Vor der Kommunalwahl am Sonntag sind die wahlkämpfenden Parteien unisono optimistisch – doch wie immer wird es Wahlverlierer geben.

München  – Am Sonntag wird das Wetter in Bayern schlecht. „Acht Grad und Regen“, sagt SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. Schlecht für die Wahlbeteiligung, gut für die Wahlbeteiligung? Niemand weiß es so genau. Wie immer vor Wahltagen herrscht in den Parteien Anspannung, auch bei denen, die optimistisch in die Wahl gehen. Und Zuversicht herrscht bei allen im Landtag vertretenen Parteien – sagen zumindest die Wahlkampfmanager.

Dabei gibt es auch vor dieser Kommunalwahl eine Reihe von Ungewissheiten für alle Beteiligten. Auffällig ist zunächst das große Interesse: Die Briefwahlbeteiligung ist in vielen größeren Städten in die Höhe gegangen. In München sind 217 000 Briefwahlanträge eingegangen – mehr als ein Fünftel der eingetragenen Wähler. In Ingolstadt wird der Anteil nach einer Prognose der Stadtverwaltung bei 18 Prozent liegen – fast doppelt so hoch wie 2008. In Würzburg liegt der Briefwähleranteil heuer sogar bei fast einem Viertel.

Nach traditioneller Lehrmeinung ist eine hohe Wahlbeteiligung vor allem gut für die SPD. Denn SPD-Wähler gelten im Vergleich zu Unionsanhängern seit jeher als weniger treu. Doch wird deswegen auch die Wahlbeteiligung steigen? Viele Wähler wollen möglicherweise nur die umfangreichen Stimmzettel in Ruhe studieren. Die CSU gehe in ganz Bayern „mit einem sehr guten Gefühl in den Wahlsonntag, auch in München“, sagt Generalsekretär Andreas Scheuer.

Dabei ist die CSU in den vergangenen Wochen von allerlei Unerfreulichkeiten gebeutelt: die Affäre um den Miesbacher Landrat Jakob Kreidl ist aus CSU-Sicht besonders hässlich, und auch die Debatten um die Lehrerstellen oder die Energiewende waren für Seehofer und Parteifreunde eher unschön. Scheuer würde den Namen Kreidl am liebsten nicht mehr hören: „Zum Fall Kreidl ist alles gesagt. Ich sehe das als regionales Thema“, sagt er. „Welchen Effekt das haben könnte, sind alles Mutmaßungen.“

2008 hatte der damalige CSU-Chef Erwin Huber das Ziel von 50 Landräten ausgegeben. Tatsächlich wurden es dann 46, der landesweite Stimmanteil der CSU rutschte auf 40 Prozent. Sechs Jahre später hat das damalige schlechte Ergebnis für die CSU den Vorteil, dass ein Aufwärtstrend von vergleichsweise niedriger Basis aus leichter fällt. Gemessen werden aber sowohl CSU als auch SPD am Wahlausgang in der Landeshauptstadt München.

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Da der für die Münchner CSU unbesiegbare Oberbürgermeister Christian Ude aufhört und an dessen Stelle der wenig charismatische Wirtschaftsreferent Dieter Reiter für die SPD kandidiert, rechnet sich die CSU mit ihrem Gegenkandidaten Josef Schmid Chancen aus. „Ein bisschen Kopf an Kopf“, formuliert SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. Wahrscheinlichstes Ergebnis des Wahlsonntags ist eine Stichwahl.

Dem CSU-Kandidaten Schmid hat allerdings der auf seine strategische Weitsicht sehr stolze CSU-Chef Seehofer Steine in den Weg gelegt: Seehofer kündigte vier Wochen vor der Wahl eine Kürzung der München-Zuschüsse an, auch die CSU-Kampagne gegen Armutszuwanderung war aus Sicht der Münchner Großstadt-CSU nicht clever. Auf der anderen Seite zeigt das rot-grüne Bündnis in München deutliche Ermüdungserscheinungen.

Für die SPD wäre der Verlust Münchens auch aus bundespolitischer Sicht eine Katastrophe – ein sicheres Anzeichen, dass ihr jahrzehntelanger Niedergang in Bayern sich fortsetzt. Ein zweiter Unsicherheitsfaktor für die Etablierten ist die Kandidatenflut in vielen Kommunen. Vielerorts treten mehr Listen und hoffnungsvolle Lokalpolitiker in spe an als 2008. In Regensburg sind es zwei Listen mehr, in Ingolstadt eine, in München drei, in Augsburg zwei, in Bamberg eine.

Ob und welche Auswirkungen, das auf die größeren Parteien hat, weiß niemand. „Mich beunruhigt die Entwicklung nicht“, sagt CSU-Generalsekretär Scheuer. „Ein genereller Trend zeichnet sich nicht ab.“ Freie-Wähler-Generalsekretär Michael Piazolo meint: „Der verteilt sich etwas, ich glaube aber nicht, dass das die Freien Wähler viele Stimmen kostet.“

Zum gestiegen Kandidatenaufkommen tragen auch die Grünen bei. Sie versuchen, ihre traditionelle Schwäche auf dem Land zu überwinden, und haben 100 Listen mehr aufgestellt als 2008. Nach Land- und Bundestagswahl sei die Stimmung in der Partei nicht so gut gewesen, räumt Parteisprecher Alex Burger ein – aber im Kommunalwahlkampf sehr positiv.

 

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