Die Flut! Katastrophenalarm in Bayern

Dramatisische Zuspitzung in Bayern. In Passau und anderen bayerischen Regionen wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Der Wasser-Höchststand ist noch nicht erreicht.
von  dpa
Die Bilder vom Hochwasser in München
Die Bilder vom Hochwasser in München © Daniel von Loeper

München – Nach tagelangem Dauerregen droht Bayern ein Hochwasser bisher ungekannten Ausmaßes. Anschwellende Flüsse und Bäche, Evakuierungen und Straßensperrungen überforderten bereits im Laufe des Sonntags vielerorts die Einsatzkräfte. Besonders dramatisch war die Lage in Teilen Nieder- und Oberbayerns. Die Stadt Passau rief am Sonntag als erste Katastrophenalarm aus. Dort wurde nach Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes Regensburg bis zum frühen Morgen mit einem Pegelstand von knapp zwölf Metern gerechnet. Das bisherige Jahrhunderthochwasser von 2002 verzeichnete einen Pegelstand von 10,81 Metern. Katastrophenalarm herrschte auch in Rosenheim sowie in den Landkreisen Berchtesgadener Land, Mühldorf a. Inn und Miesbach.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zeigte sich vor Beginn eines Krisentreffens am Abend in München besorgt: „Möglicherweise werden wir eine Entwicklung bekommen, die zu einem Hochwasser führen könnte, das bisher noch nie dagewesen ist.“ Nach Angaben von Umweltminister Marcel Huber (CSU) ist die Situation im Freistaat bereits jetzt schlimmer als beim letzten großen Hochwasser 1999. „So etwas hat man in Bayern noch nicht gesehen“, sagte Huber. Er hatte am Nachmittag die Hochwassergebiete in Südostbayern überflogen und danach Bad Aibling und Freilassing besucht. Er versprach den von Schäden Betroffenen unbürokratische Hilfe des Freistaats.

In Passau waren neben Teilen der Altstadt auch die Bundesstraßen 388 und 12 überspült, viele Häuser waren nur noch über Stege erreichbar. Die Stadt bat um Unterstützung der Bundeswehr. Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) forderte Eltern dazu auf, ihre Kinder am Montag nicht zur Schule zu schicken, wenn diese in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten lägen.

Im südlichen Oberbayern spitzte sich die Situation am Nachmittag ebenfalls zu. In Berchtesgaden brach am Mittag die Schleuse eines Bergsees, die Wassermassen ergossen sich unkontrolliert ins dort allerdings wenig bevölkerte Tal. Die Bundeswehr in Bad Reichenhall wurde um Hilfe gebeten. In Kolbermoor drohte die Mangfall über die Ufer zu treten. Von einer Überflutung wäre auch das Stadtgebiet von Rosenheim teilweise betroffen.

Am meisten Sorgen bereitete den Krisenstäben in Oberbayern das Anschwellen der aus Österreich kommenden Tiroler Achen, die in den Chiemsee mündet. Alle über den Fluss führenden Brücken wurden gesperrt, wie ein Polizeisprecher berichtete. An mehreren Stellen trat der Fluss über die Ufer. Die Ortschaften Unterwössen und Schleching waren von der Außenwelt abgeschlossen.

Die Autobahn München-Salzburg (A8) wurde nahe dem Chiemsee in beiden Richtungen total gesperrt. Die Bahnstrecken zwischen München und Salzburg über Freilassing sowie über Kufstein nach Österreich waren wegen Unterspülungen oder nach Murenabgängen unterbrochen.

Katastrophenalarm wurde am Nachmittag auch für den Landkreis Mühldorf a. Inn ausgelöst. Zahlreiche Gebiete sind dort überflutet. Ein Sprecher des Kreises Berchtesgadener Land nannte die Hochwasserlage dort „nach wie vor sehr kritisch“. Vor allem die Bewohner von Berchtesgaden, Ramsau, Marktschellenberg, Freilassing und Laufen seien betroffen, mehrere Gebiete mittlerweile evakuiert worden.

Auch Teile von Rosenheim und Kolbermoor wurden geräumt. In Rosenheim drohte ein Damm der Mangfall zu brechen, wie ein Sprecher der Stadtverwaltung sagte. Die Bewohner im Stadtteil Schwaig seien deshalb gebeten worden, ihre Häuser und Wohnungen vorsorglich zu verlassen. Die Menschen wurden in einer Schulturnhalle untergebracht. In Kolbermoor wurden knapp 200 überwiegend ältere Bewohner einer Siedlung in Sicherheit gebracht. Die Deutsche Bahn (DB) sperrte auf Anordnung der Behörden den Bahnhof Rosenheim von 19.00 Uhr an. Der Zugverkehr wird dort komplett eingestellt.

Viele Schüler in den vom Hochwasser in Bayern besonders betroffenen Gebieten dürften den Überflutungen indessen auch etwas Positives abgewinnen: Der Unterricht fällt am Montag in etlichen Städten und Landkreisen aus. So versicherte ein Sprecher der Stadt Rosenheim, am Montag blieben alle Schulen in Stadt und Landkreis Rosenheim geschlossen. Einzige Ausnahme: Die Abiturprüfungen an der Rosenheimer Fachoberschule (FOS) und Berufsoberschule (BOS) finden statt, während sie in den städtischen Gymnasien auf Freitag verschoben wurden. In Passau forderte Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) Eltern auf, jene Kinder am Montag nicht zum Unterricht zu schicken, deren Schulen im Hochwassergebiet liegen.

In Regensburg stieg der Wasserstand der Donau am Sonntag ebenfalls schnell an. Trotz des tagelangen Dauerregens sehen die Behörden in Regensburg aber derzeit keine unmittelbare Gefahr. Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) sagte am Nachmittag, der durchgehende Hochwasserschutz habe sich bewährt. „Möglicherweise kommen wir mit einem blauen Auge davon.“ Die höchste Warnstufe sollte noch am Abend erreicht werden. Bis Montag könnte der Pegel der Donau einen Stand von bis zu 6,60 Meter erreichen. Großflächige Überflutungen vor allem in der Altstadt und in Stadtamhof, die zum Unesco-Welterbe gehören, sind laut Schaidinger nach derzeitigen Vorhersagen nicht zu erwarten.

Dagegen schien sich die Situation in Franken und im Allgäu ein wenig zu beruhigen, zumindest stiegen dort die Pegelstände nicht mehr. Doch auch in diesen Regionen wurden zahlreiche Keller und Straßen überflutet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach den vom Hochwasser am stärksten betroffenen Ländern die „volle Unterstützung“ der Bundesregierung. Wenn notwendig sei auch ein Einsatz der Bundeswehr möglich, betonte Merkel nach Angaben eines Regierungssprechers. Ein Bundeswehr-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur dpa, im Laufe des Sonntags seien bereits sämtliche notwendigen organisatorischen Vorbereitungen für einen Einsatz der Soldaten angelaufen. Material- und Personalanforderungen würden gesichtet, spätestens im Laufe des


Montags sollten Einheiten vor Ort sein.

 

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