Die Erotik des Humors

Andreas Rebers, der Satiriker mit der Quetsche, erhält in Nürnberg den Deutschen Kabarettpreis 2008. Im AZ-Interview spricht er über seine Zunft und Haushaltsgeräte.
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„Auf leisen Sohlen“ an die Spitze: Andreas Rebers wird am Samstag in der ausverkauften Tafelhalle ausgezeichnet.
Monika Köhler „Auf leisen Sohlen“ an die Spitze: Andreas Rebers wird am Samstag in der ausverkauften Tafelhalle ausgezeichnet.

NÜRNBERG - Andreas Rebers, der Satiriker mit der Quetsche, erhält in Nürnberg den Deutschen Kabarettpreis 2008. Im AZ-Interview spricht er über seine Zunft und Haushaltsgeräte.

Dass er kürzlich als „rechter Kabarettist“ gegeißelt wurde, amüsiert Andreas Rebers. Auslöser waren „Ypsilanti-Bashing“ und Islam-Schelte. „Dinge, die die Menschen nicht hören wollen“ gehören für Rebers zu seinem Berufsbild. Der „Unterhaltungskünstler“ mit der Quetsche und „Lach- und Schieß“-Start ist – flankiert von Preisen und TV-Präsenz („Scheibenwischer“ und „Neues an die Anstalt“) eine Satire-Größe. Am Samstag erhält er in der Nürnberger Tafelhalle – neben Martina Schwarzmann und Philipp Weber) den Deutschen Kabarettpreis (3000 Euro). Am Sonntag legt er dort mit dem Solo „Auf der Flucht“ nach. Ausverkauft sind beide Abende.

AZ: Herr Rebers, beim „Scheibenwischer“-ARD-Gipfel vergangene Woche....

ANDREAS REBERS:...ist das passiert, wovor jeder Angst hat: Ich hatte kolossale Hänger...

Darauf wollte ich gar nicht hinaus. Sondern, dass Sie den genormten Witz verweigerten. Aber jetzt, bitte: Kommt ein Mann zum Arzt...

Ich sage ja immer: Ich bin der Tante-Emma-Laden im Kabarett. Und die Comedy-Fraktion der „Kommt-’ne-Frau-beim-Arzt“ sind eher die Discounter, deswegen können die billige Witze anbieten.

Wie mehrheitsfähig muss denn Humor sein?

Überhaupt nicht. Die Beschäftigung mit Humor hat ja was Erotisches. Auf Lateinisch bedeutet es auch die richtige Mischung der Körpersäfte.

Alles eine Geschmacksfrage?

Nichts trennt so sehr wie Humor. Das ist eine Wiener Formulierung. Deswegen ist Wien auch ein Massengrab für deutsche Kabarettisten, frei zitiert nach Sigi Zimmerschied. Humor hat ja auch viel mit der Identität der Menschen zu tun. Ich habe in Bayern zwölf Jahre gekämpft, bis ich volle Häuser hatte. Weil mein Humor in Verbindung mit meiner hochdeutschen Sprache und meinem äußeren Erscheinungsbild der barocken Gemütlichkeit der Bayern und Franken nicht entsprach. In Nürnberg habe ich mir die Leute einzeln mit dem Lasso eingefangen. Gedacht wird allerdings überall ähnlich. Ich habe mich also mit Gedankenimitation beschäftigt. Ich bringe ein kleines Bestiarium auf die Bühne, das unabhängig ist vom Lokalkolorit.

Ein Spezialitäter?

Ja, das finde ich gar nicht schlecht. Man muss sich auf mich einlassen.

In der Preisbegründung steht auch bewundernd, dass Sie sich „auf leisen Sohlen“ an die Spitze gearbeitet haben.

Ich war nie ein Senkrechtstarter, auch nie einer, der in eine Lücke hineingepasst hat. Also kein Django Asül, der das Phänomen der Einwanderung auf den Punkt bringt. Ich habe es den Leuten nie leicht gemacht mit meinen Programmen. Die waren für das Publikum eine gewöhnungsbedürftige Form. Der richtige Schritt war, den Anteil der Musik zu erhöhen.

Das Einbeziehen ihrer „Strapsmaus“, ihres Akkordeons, war also eine konzeptionelle Entscheidung?

Ja, weil dadurch etwas sehr Originelles und Signifikantes mit meiner Person in Verbindung gebracht werden kann.

Ein Kritiker hat Sie als „Florian Silbereisen der deutschen Fernsehsatire“ bezeichnet. Und es scheint ein Kompliment gewesen zu sein.

Na klar. Weil ich da zwei Fliegen mit einer Klappe schlage. Das gelingt nicht immer mit Liedern. Bei dieser schönen Parodie „Ich bin der Osama bin Laden, mich findet keine Sau, ich hab’ ein schönes Haus in Oberammergau“ spiele ich Musikantenstadl. Der Terrorismus hat immer zwei Seiten – und die eine ist der mehrheitsfähige Teil.

War das Theater in Braunschweig für Sie auch ein Trainingslager für die Satire?

Unbedingt. Ich habe Sprechunterricht genommen und hatte die Gelegenheit, kreativ zu arbeiten. Ich habe unheimlich viel Zeit bei Proben zugebracht, um zu lernen wie Schauspieler arbeiten. Es ist mein Rüstzeug, um Dialoge und Szenen zu spielen.

Sie sagen ja auch, sie seien ein Spätzünder. Als Kabarettist müssten Sie sich damit gerade im jugendlichen Leichtsinn befinden.

Ich bin mit allem, was ich mache, Spätzünder. Ich bin jetzt 50. Wenn ich zurückgucke: Die entscheidenden Wendepunkte meines Lebens kamen immer mit Verspätung. Ich habe ja auch erst mit 26 begonnen, Musikunterricht zu nehmen.

Was haben Sie denn vorher gemacht?

Gar nix, beziehungsweise: Ich war Autodidakt. Ich bin auch am Klavier Autodidakt.

Sie fühlen sich offenbar als Außenseiter ganz wohl. Wundert Sie dann doch der Preisregen, dem Sie seit einigen Jahren ausgesetzt sind?

Die deutsche Kabarettszene ist etwas Einzigartiges. Und da habe ich oft das Gefühl, dass man gewollt ist. Dass Leute sagen, ach, der Rebers, der hat viel Potenzial, aber er labert noch ein bisschen zu viel dummes Zeug und manche Sachen sind grenzwertig, aber der kommt noch. Und jetzt müssen wir den mal belohnen.

Preise als Unterstützungsmaßnahme?

Natürlich. Die Preise haben immer flankierende Wirkung.

In welchem Zustand ist denn Ihre Zunft?

In einem sehr guten. Es gibt herausragende Leistungsträger, unheimlich tolle Bühnenprogramme, eine riesige Vielfalt, ein paar ganz tolle Frauen wie Martina Schwarzmann – wir stehen jetzt schon zum dritten Mal bei einer Preisverleihung gemeinsam auf der Bühne.

Sie haben keine Probleme mit der Comedy-Invasion?

Ich gucke lieber gute Comedy als schlechtes Politkabarett. Einen ganzen Abend Atze Schröder und Mario Barth – das kann ich nicht ertragen. Die sind manchmal gut für fünf Minuten „Quatsch Comedy Club“, zum Kurzdurchheizen.

Ist denn das Fernsehen fürs Kabarett eher Katalysator oder Bremsklotz?

Das Fernsehen hilft, dass die Bude voll wird. Das ist ein Werbeträger. Nur: Das, was ich auf der Bühne mache, kann sich von dem, was ich im Fernsehen mache, mitunter komplett unterscheiden.

Was provoziert Ihren Widerspruch? Momentan offenbar das Migrationsthema.

In „Auf der Flucht“ erzähle ich, dass ich Schlesier bin. Und dann werde ich gefragt, was sind denn Schlesier? Und dann sage ich: Schlesier sind im Prinzip so was wie Palästinenser. Was in der jetzigen Situation relativ delikat ist.

Die wichtigste Frage zum Schluss: Was werden Sie denn mit dem horrend hohen Preisgeld aus Nürnberg anfangen?

Nächstes Jahr soll's ja erhöht werden – habe ich gehört. Ich kaufe normalerweise Haushaltsgeräte, also Pfannen. Und ich brauche eine Tourenski-Ausrüstung.

Interview: Andreas Radlmaier

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