Die CSU verzichtet auf eine Verfassungsklage gegen die Ehe für alle
Die CSU-Staatsregierung verzichtet auf eine Verfassungsklage gegen die im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossene Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen nach dem Grundsatz "Ehe für alle". Zwei von der Staatsregierung eingeholte Rechtsgutachten kämen zu dem Schluss, dass die Erfolgsaussichten einer solchen Normenkontrollklage als gering anzusehen seien, teilte der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) nach einer Kabinettssitzung gestern in München mit.
Das Gesetzgebungsverfahren im Juni vergangenen Jahres im Bundestag sei eine "Hau-Ruck-Aktion" gewesen, bei der die einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Fragen der "Ehe für alle" zu kurz gekommen seien, begründete Bausback die Einholung der Rechtsgutachten für zusammen 40.000 Euro. Die emeritierte Göttinger Rechtswissenschaftlerin Dagmar Coester-Waltjen ist in ihrem rechtsvergleichenden Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Verfassungsgericht eines anderen Staates, in dem die "Ehe für alle" bereits eingeführt wurde, diese bisher beanstandet habe.
Der Augsburger Rechtsprofessor Ferdinand Wollenschläger listete zwar einige Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe auf, kam jedoch zu dem Schluss, dass vor dem Hintergrund der gesesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen der Bundesgesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum mit der "Ehe für alle" nicht überschritten habe.
Klage gegen Ehe für alle? "Platzpatrone der CSU im Wahlkampf"
Eine Klage, so Wollenschläger, sei auch nicht erforderlich, um "weiteren Aufweichungen" des Ehebegriffs etwa durch Vielehen oder einer "Ehe auf Zeit" einen Riegel vorzuschieben, da die Ehe trotz der Öffnung für gleichgeschliche Partnerschaften weiterhin einen hohen Verfassungsrang genieße.
Vor diesem Hintergrund habe das Kabinett beschlossen, von einem Gang nach Karlsruhe abzusehen, teilte Staatskanzleiminister Marcel Huber (CSU) mit. Es habe jedoch im Ministerrat "unterschiedliche Positionen" gegeben. Die Klagedrohung gegen die "Ehe für alle" sei schon im Bundestagswahlkampf eine "Platzpatrone der CSU" gewesen, die nicht gezündet habe, kommentierte der Vorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag Ludwig Hartmann. Es sei schade, dass es erst juristischer Gutachten bedürfe, "damit Seehofer & Co. gesellschaftliche Realitäten anerkennen".
Man halte "politisch an dem Leitbild der traditionellen Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau fest", heißt es in dem offiziellen Bericht aus der Kabinettssitzung: "Sie ist Grundlage für Familien, in denen Kinder bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen". Gleichzeitig wende man sich gegen eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften.
Die meisten CSU-Politiker hätten immer noch eine starke Abneigung gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften im Kopf, meinte die SPD-Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias: "Diese Barrieren in den Köpfen müssen eingerissen werden". Zacharias forderte einen "Landesaktionsplan gegen Homophobie", wie ihn die SPD bereits in der letzten Legislaturperiode als Eintrag ins Parlament eingebracht habe.