"Die B12 ist schon weggebrochen"

Simbach - "Opas Haus ist überflutet", schreibt mir meine Mutter per SMS gegen 13 Uhr in einem Nebensatz. "Was?", tippe ich in mein Handy. Meine Mama lässt sich ewig Zeit mit ihrer Antwort. Dass sie gerade Besseres zu tun hat, wird mir erst zwei Stunden später klar.
In meinem Heimatort nahe Simbach steht alles unter Wasser. "Geschätzte zwei Meter Hochwasser in Tann", schreibt sie nach einer gefühlten Ewigkeit. Auch die Orte Simbach und Triftern seien schon überschwemmt.
Weil sie gerade ihre Nichten und Neffen von der Schule in Julbach abholt, kann sie nicht telefonieren. Später erzählt sie, dass sie mit den Kindern zur Oma fahren wollte. Doch dazu kommt es nicht mehr. Auf den Straßen steht das Wasser kurz vor Simbach so hoch, dass sie umkehren muss. Eine Freundin erzählt ihr, dass deren Tochter gegen 15 Uhr zur Abiturprüfung in Ethik erscheinen sollte. Doch die Straße zum Gymnasium ist da schon von den Fluten mitgerissen. Zu diesem Zeitpunkt gehen immer mehr Whatsapp-Nachrichten auf meinem Handy ein.
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Mir wird klar: Das ist kein normales Unwetter mehr. Eine Freundin schickt mir ein Foto von der Turnhalle in Simbach, die bis zu den Basketballkörben mit Wasser vollgelaufen ist. Auch ein Bild auf Facebook, auf dem zu sehen ist, dass die Innstraße komplett überflutet ist, und das Wasser fast schon bis zur Eisenbahnbrücke reicht, lässt mich schockiert zurück.
Im Nachbarort von Simbach – Kirchdorf am Inn – werden die Bäche ausgebaggert, damit das Wasser nicht auch dort über die Ufer tritt. Nur eine Stunde später kommt die Nachricht: In einem Ortsteil von Kirchdorf sind die Keller bereits vollgelaufen. "Die B12 ist auch schon weggebrochen", heißt es in einer anderen Nachricht, die auf meinem Handy aufleuchtet.
"Die Nachbarin sitzt auf dem Dach und wartet auf Rettung"
Alle Ortschaften sind jetzt voneinander isoliert. Meine Tante kann von Pfarrkirchen aus nicht mehr nach Simbach fahren, weil die Straßen überflutet, weggebrochen oder gesperrt sind. Meine Cousine sitzt in Eggenfelden fest – gleiches Bild. Die Wohnung meiner Cousine in Simbach läuft nach und nach mit Wasser voll.
Ich versuche, bei meinen Eltern auf dem Telefon anzurufen, kein Durchkommen mehr. Ich versuche es auf dem Handy. Endlich erreiche ich jemanden. Meine Mutter sagt, dass sie gerade erfahren haben, dass der Damm in Stammham nun endgültig gebrochen ist und Seibersdorf wohl das nächste Dorf ist, das komplett untergehen soll. Ein Freund unserer Familie, der beim THW arbeitet, schreibt meiner Mutter per Nachricht: "Das schlimmste Unwetter, dass wir je mitbekommen haben. Alle sind schockiert." Hubschrauber fliegen immer wieder über das Haus meiner Eltern.
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Mama erzählt mir, dass die Tochter einer Nachbarin in Simbach in der Gartenstraße auf ihrem Hausdach sitzt und auf Rettung wartet. "Sie ist verzweifelt", sagt meine Mutter. "Nicht wegen des schweren Hochwassers, sondern weil sie erst heute ihre neue Couch geliefert bekommen hat."