Die AZ macht den Test: Mit dem E-Camper durch Bayern

München/Berchtesgaden - Schlafen unter freiem Himmel, hinfahren, wohin man möchte, und die Unterkunft ist immer mit dabei: "Vanlife", das Reisen mit dem Camperbus, wird vor allem bei jungen Menschen immer beliebter. Auch wenn viele der Abenteurer auf Nachhaltigkeit und Müllvermeidung achten, ein Problem bleibt: Die teils liebevoll ausgebauten Vans, mit denen Tausende Kilometer zurückgelegt werden, sind bislang noch fast immer Verbrenner.
Dass es auch anders geht, verspricht zumindest der "VW ID Buzz". Er ist inspiriert vom legendären "Bulli" von VW – aber vollelektrisch. Seit jeher werden die Bullis als Camper ausgebaut – und das ist auch mit dem Buzz möglich. Die Firma "Roadsurfer", die Campervans vermietet, hat das Modell mit Bett, Herd, Waschbecken und allem anderen, was man zum Leben unterwegs braucht, ausgestattet und prüft derzeit, ob das Fahrzeug dauerhaft ins Angebot übernommen wird.
E-Mobilität in Bayern: Bei den Ladesäulen gibt es noch Defizite
Die AZ durfte den E-Camper testen. Das Fazit fällt gemischt aus. Denn eines wird rasch klar: Vorbereitung ist das A und O in Sachen E-Mobilität. Noch haben Elektro-Fahrzeuge eine begrenzte Reichweite und auch die Ladestationen sind teils rar. Vor dem Urlaubsstart müssen zahlreiche Apps heruntergeladen werden. Eine davon ist "Chargemap". Sie listet Ladepunkte auf und hilft bei der Suche nach den Stationen.
Mühsam kämpft sich der AZ-Reporter durch die Welt der Ladesäulen. Denn trotz angekündigter Energiewende gibt es hier noch große Defizite: verschiedene Stromanschlüsse, unterschiedlich schnelle Ladevorgänge und eine Flut an Zahlungssystemen. In Deutschland gibt es Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zufolge 100.838 öffentliche Ladepunkte mit einer Leistung von insgesamt 4,5 Gigawatt.
Die Fahrt von München nach Berchtesgaden sollte der E-Camper problemlos schaffen
Und auch bei der Wahl des Reiseziels sollte man die Augen offen halten. Laut dem Messverfahren WLTP hat der VW ID Buzz eine Reichweite von bis zu 421 Kilometern. Doch die Stadt Berchtesgaden im Nationalpark Berchtesgadener Land ist etwa 150 Kilometer von München entfernt. Das sollte mit einer Tankladung problemlos zu schaffen sein – los geht's!
Ankunft am ersten Ziel: Hintersee bei Ramsau, nach knapp zwei Stunden. Da es schon spät ist und die Campingplätze in der Umgebung nicht mehr angefahren werden können, stellen der AZ-Volontär und Begleitung den Camper für die Nacht auf einem kostenpflichtigen Stellplatz ab. Das Bett lässt sich schnell aufbauen, es liegt sich recht gemütlich.

VW ID Buzz im Test: Akku leer, kein Netz, keine Ladesäule in Sicht
Doch dann der erste Anfängerfehler: Die Alarmanlage pfeift durch die Bewegungen im Innenraum los. Also schnell die Betriebsanleitung durchgeblättert (Googeln klappt nicht, es gibt kein Netz). Schließlich stellen wir die Innenraumüberwachung des Fahrzeugs aus – und der Nachtschlaf ist gerettet.
Das böse Erwachen folgt am Morgen: Der Akkustand liegt nur noch bei knapp über 20 Prozent. Es muss dringend geladen werden. Weil es jedoch immer noch kein Netz gibt, streikt die Online-App. Auch das Navi des Campers hilft nicht weiter – also erst einmal wandern. Nachdem die Internetverbindung auf sich warten lässt, geht es mit dem Camper erstmal nach Berchtesgaden.
"Noch fünf Stunden bis zur Aufladung": Beim E-Camper ist Geduld gefragt
Hier sieht es schon besser aus mit den Ladestationen – und dem Netz. Wir laden den Camper auf und können recht simpel bezahlen, durch Scannen eines QR-Codes mit dem Smartphone. Kostenpunkt: 38 Cent pro Kilowattstunde (kWh).
Angedockt heißt es dann: "Noch fünf Stunden bis zur vollständigen Aufladung", was für uns bedeutet: irgendwie Zeit totschlagen. Auch nach einem langen Mittagessen liegt der Akkustand erst bei knapp der Hälfte. Da noch ein Campingplatz gefunden werden muss, docken wir den Bulli erstmal wieder ab.

Auch auf weiteren vom Reporter angefahrenen Campingplätzen fehlen die Ladesäulen. Die mangelnde Versorgung mit Ladesäulen bestätigt auch Georg Spätling, Vorsitzender des Landesverbandes der Campingwirtschaft in Bayern. Theoretisch könne man die Fahrzeuge zwar an den gewöhnlichen Stromanschlüssen aufladen. Würden dies aber mehrere Fahrer gleichzeitig tun, könnte das den Stromkreislauf überlasten.
Die Kosten pro Kilowattstunde können sehr hoch sein
Ein weiteres Manko: Die Preise für den Strom sind oft hoch. Am finalen Stellplatz angekommen kostet die Kilowattstunde etwa 1,50 Euro – zusätzlich zum Übernachtungspreis. Den Camper schließen wir deshalb zunächst nicht an.
Bevor wir am nächsten Morgen zu einer längeren Wanderung aufbrechen, soll das Problem dann aber gelöst werden. Die erste Ladesäule – ein Reinfall: Man braucht eine spezielle Tankkarte, die vorab beantragt werden muss. In der Nähe der Innenstadt Berchtesgadens dann ein Volltreffer. Der "Buzz" bleibt erst einmal ein paar Stunden stehen (Preis: 0,65 Euro pro kWh), während es für die Tester rauf zum Kehlsteinhaus geht. Zurück geht es nach zwei Tagen und einer Nacht. Der Van ist nun endlich vollgeladen.
Fazit: Camping mit einem E-Camper ist eine Herausforderung
Immerhin nachts verbraucht der E-Camper kaum Strom, auch wenn aufgrund der während des Tests kalten Nächte die Heizung läuft. Am nächsten Morgen ist sogar noch genug Strom da, um entspannt zurück nach München zu rollen.
Das Fazit: Für Camping- und E-Auto-Anfänger ist so ein vollelektrischer Ausflug schon eine Herausforderung. Eine – teils sehr berechtigte, teils irrationale – Angst fährt mit, dass der Strom ausgeht und keine Ladestation verfügbar sein könnte. Aber: Durch die Fahrt im E-Camper bekommen wir ein tolles Gefühl der Naturverbundenheit. Die leisen, fast schon gleitenden Fahrten des "Buzz" durch die Wälder machen Spaß. Und dass hinten kein Dreck rauskommt, sorgt für ein gutes Gewissen – auch wenn man Herstellung von Akkus und Strom im Hinterkopf behalten muss.
Der VW ID Buzz ist ein Hingucker – doch die Ladesäulen-Misere bleibt ein Problem
Zudem ist der E-Camper ein echter Hingucker. Ständig verrenkt sich das Camping-Klientel die Hälse und schaut, als würde man mit dem schicksten Sportwagen durch die Gegend heizen – obwohl eigentlich das Gegenteil der Fall war. In Sachen E-Ladestationen ist aber definitiv noch Luft nach oben, zumal wärmeres Wetter und mehr Touristen den Kampf um die knappen Stromquellen wahrscheinlich noch mal verschärft hätten.
Laut Camping-Lobbyist Spätling gibt es einen Anstieg in der Beliebtheit von E-Campern. Genaue Zahlen hat sein Verband allerdings nicht. "Es werden aber vermutlich noch zehn Jahre vergehen, bis das Problem gelöst ist", prognostiziert er mit Blick auf die Ladesäulen-Misere. Schade – denn Potenzial für einen idyllischen Kurztrip hat das flüsterleise Fahren durch die Landschaft allemal.