Die AZ erklärt den irren WM-Ball aus Franken

Der „Jabulani“ ist ein absolutes Hightech-Produkt in ausgefallenem Ethno-Design, wurde aber in Scheinfeld und Herzogenaurach erdacht und entwickelt. Bevor Adidas die Kunststoff-Pille auf den Markt rollte, vergingen vier Jahre
von  Abendzeitung

Der „Jabulani“ ist ein absolutes Hightech-Produkt in ausgefallenem Ethno-Design, wurde aber in Scheinfeld und Herzogenaurach erdacht und entwickelt. Bevor Adidas die Kunststoff-Pille auf den Markt rollte, vergingen vier Jahre

HERZOGENAURACH/SCHEINFELD Michael Ballack, Peter Cech, Frank Lampard – sie alle waren begeistert! Vor knapp zwei Jahren durften die Stars des Londoner Premier-League-Klubs Chelsea FC ein Produkt testen, das vor ihnen nur eine Handvoll Eingeweihter gesehen hatte. Einen Prototyp, ein technisches Wunderwerk, eine Revolution. Einen Fußball. Das am besten gehütete Geheimnis des Herzogenauracher Sportartikelherstellers Adidas! Den „Jabulani“.

Ein Ball, irgendein Ball – das wäre anlässlich einer Fußball-WM wie Ketchup zu Haute Cuisine, wie wenn man im Blaumann ins Opernhaus ginge. Wenn im kommenden Jahr 32 Nationen um die Kicker-Krone wetteifern, darf es eben nicht irgendein Ball sein, sondern „Jabulani“. Klingt exotisch, ist High-Tech pur – und wurde erdacht in Herzogenaurach und in Scheinfeld, am Rande des Steigerwalds, wo Adidas Labore unterhält, in denen es beinahe noch mehr Top Secret zugeht als beim Geheimdienst.

Die Entwicklung des „Jabulani“ (stammt aus der südafrikanischen Zulu-Sprache und heißt „Feiern“) hat „vier Jahre gedauert“, berichtet Klaus Rolshoven vom Adidas-„Innovation Team“. Anschließend wurde die millionenschwere Kugel auf den Plätzen internationaler Edel-Klubs getestet. Allerdings bekamen nicht mal Ballack und Co. den Ball in seiner vollen Pracht – also komplett ausdesignt – zu Gesicht. Schließlich geht’s um Prestige – und viel Geld. „FIFA und UEFA schreiben vor Turnieren die Entwicklung des Exklusiv-Balls aus“, berichtet Rolshoven. Aber obwohl die Konkurrenz von Nike und Puma nicht schläft und selber neue Modelle auf den Markt bringt, nötigt die den Adidas-Designern nur ein müdes Lächeln ab: Ob „Tango“ (Argentinien 1978), „Azteca“ (Mexiko 1986), „Tricolore“ (1998), „Teamgeist“ (2002): Adidas-Bälle und Fußballweltmeisterschaften sind seit Jahrzehnten untrennbar.

Genäht wird hier nichts mehr

Das Geheimnis liegt in der Innovationskraft, die – von Ball zu Ball – einen anderen Fokus hat: Zentrales Element beim „Jabulani“: die Verbesserung der Aerodynamik. Unterschiedlich lange Rillen und Linien versprechen die volle Kontrolle bei jedem Wetter, die Einzelteile (so genannte Panels) wurden auf acht reduziert. Die bestehen übrigens bei Profi-Bällen seit Jahrzehnten nicht mehr aus Leder, sondern aus Spezialkunststoffen. Genäht wird auch nicht mehr. Die Triangel- und Dreiecks-förmigen Panels sind millimetergenau verschweißt.

Da die eigene Infrastruktur samt Windkanälen den Ball-Wissenschaftlern nicht genügt, greifen sie auf die Dienste der englischen Universität Loughborough zurück. Für das farbenfrohe Design bereiste eine Adidas-Delegation ausgiebig Südafrika, ließ sich von Land und Leuten inspirieren. Jetzt zieren den „Jabulani“ wilde Muster und bunte Farben, die die Stämme und Sprachen des Gastgeberlandes symbolisieren.

Obwohl das Hightech-Produkt mit 119,95 Euro nicht ganz billig ist, dürfen sich auch Feld- und Wiesenkicker am „Jabulani“ erfreuen. Eine Kopie gibt’s für 100 Euro weniger. Die ist allerdings „nur“ handgenäht.

Steffen Windschall

Mehr über das Innenleben des Jabulani und die Funktionen seiner Einzelteile lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Wochenende, 12./13.12

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