Die Aborigines waren vorher da

„Bangarra Dance Theatre“ gastierte im Fürther Stadttheater
Dieter Stoll |
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Die Verbindung von Tradition und forschender Tanztheater-Gegenwart ist Konzept beim „Bangarra Dance Theatre“.
Die Verbindung von Tradition und forschender Tanztheater-Gegenwart ist Konzept beim „Bangarra Dance Theatre“.

FÜRTH Die Aborigines-Urgestalt, die viele Szenen dieser australischen Compagnie wie ein wegweisender Zeremonienmeister begleitet, ist bis zum Schluss nicht eindeutig als Mann oder Frau identifizierbar. Ein abgeklärtes Wesen aus anderen Welten lässt teilnehmen an geheimnisvollen Bewegungs-Ritualen einer fernen Kultur – und öffnet sie behutsam für den Blick von außen. Der Ruf des Bangarra Dance Theatre, das die Verbindung von gefährdeter Tradition und forschender Tanztheater-Gegenwart zum Konzept macht, hat Deutschland im Jahr 2000 bei der Olympia-Eröffnungsshow in Sydney per TV-Übertragung erreicht.

Knapp elf Jahre später führt die erste Deutschlandtournee ins Fürther Theater. Gut Ding hat wieder mal mächtig Weile gebraucht.
Das zweistündige Programm trägt den zweifellos passenden Titel „Spirit“, weil es Geist beschwört und Esprit vermittelt. Doch es ist kein Stück, sondern ein Sammelbecken von Höhepunkten verschiedener Produktionen, die Stephen Page und Frances Rings entwickelten. Aber das Problem dabei ist wie bei jeder Best-Of-Auslese die zwangsläufig gekappte Entwicklungslinie – man kann die Leitgedanken nicht differenziert nachvollziehen.


Es sind die gleitende Übergänge zwischen ästhetischen Gegensätzen, die der Portions-Choreographie und der anfangs tanztechnisch etwas schwächelnden Truppe nach und nach über den Schau-Wert hinaus das Eigengewicht geben. Die Beschwörung einer mystisch abgedunkelten Körpersprache schafft die Basis, auf der sich alles abstützen und aufrichten kann. Zunehmend mutig in der Verbindung der Elemente, manchmal sogar irritierend weit ins Revuemuster der Show-Gegenwart hinein. Wenn sich die Figuren aus dem kriechenden Zustand erheben und rhythmisch zuckend, auf Stelzen schwingend aus dem Hintergrund ins Zentrum drängen, hält man unwillkürlich Ausschau nach dem „König der Löwen“ – aber die Aborigines waren deutlich vor Walt Disney Productions da.

Am Ende kommt bei dieser Aufführung, die ihre Suggestivkraft immer stärker ausbaut, alles zusammen. Da duftet, wenn der Guru mit zwei Räucherschalen den Tänzern buchstäblich unter die Arme gegriffen hat, das Fürther Theater wie der Bamberger Dom nach einem Hochamt, und gleichzeitig zeigen die Sprünge ins Unendliche der neuen Bewegungs-Kunst die spiegelverkehrte Seite der Perspektive. Faszinierend, dass dies in der Summe der Aktionen nicht als Gegensatz erscheint, sondern wie eine respektvolle Umarmung. Das Publikum jubelte.

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