Deutschlands ältestes Dorf liegt mitten in Franken

Schwanfeld im Landkreis Schweinfurt bekommt ein neues Museum mit archäologischen Funden.
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Machen die genannte Bandkeramik-Epoche lebendig: eine 7500 Jahre alte Scherbe und die Nachbildung eines Prunkgefäßes.
dpa 2 Machen die genannte Bandkeramik-Epoche lebendig: eine 7500 Jahre alte Scherbe und die Nachbildung eines Prunkgefäßes.
Sensationsfund: das Skelett eines sechsjährigen Jungen.
dpa 2 Sensationsfund: das Skelett eines sechsjährigen Jungen.

Schwanfeld im Landkreis Schweinfurt bekommt ein neues Museum mit archäologischen Funden.

SCHWANFELD Hunderte Kilometer Fußmarsch liegen hinter der Gruppe aus Osteuropa, als eine der größten Umwälzungen der Menschheit das Gebiet des heutigen Deutschlands erreicht. Die 40 Männer und Frauen wollen siedeln, Äcker bestellen und Tiere halten. Das Zeitalter der Jäger und Sammler ist nach zwei Millionen Jahre zu Ende, die „neolithische Revolution“ hat begonnen: Erstmals werden Menschen auch in uneren Regionen sesshaft und betreiben Ackerbau. 7500 Jahre später steht der Frankfurter Archäologie-Professor Jens Lüning dort, wo alles anfing: im unterfränkischen Schwanfeld (Kreis Schweinfurt). Dort erinnert ab morgen ein neues Museum an die erste Siedlung Deutschlands.

Vor mehr als 30 Jahren hatte der Wissenschaftler begonnen, in der 2000-Seelen-Gemeinde zu graben. Zutage gekommen sind die bis heute ältesten Nachweise für Besiedelung in Deutschland. „Hier gab es trockene Böden und warme Plätze“, erklärt Lüning die Entscheidung der Steinzeitbauern.    Mit der sogenannten Bandkeramik, die ihren Namen von der charakteristischen Ritzverzierung ihrer Tongefäße hat, kamen vor 7500 Jahren zum ersten Mal Ackerbau und Viehzucht nach Mitteleuropa.

Mit weitreichenden Folgen, wie die Bandkeramik-Expertin Britta Ramminger von der Uni Hamburg erklärt: „Ab diesem Zeitpunkt werden Häuser gebaut, Bäume gefällt und in die Natur eingegriffen.“ Das Landschaftsbild ist seitdem von Feldern geprägt. Brunnen, Keramikgefäße und Stühle halten Einzug in die Kultur Mitteleuropas.

1985 wurden zwei Gräber entdeckt

Zwölf solcher bandkeramischer Siedlungsplätze hat Lüning in den 70er und 80er Jahren europaweit untersucht. Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) grub der Vor- und Frühhistoriker mit seinen Studenten auch in Unterfranken. Er trug Bodenschichten ab, nahm Proben, fand Keramikscherben und legte zehn von insgesamt 18 Häusern der Siedlung frei.

Sechs Jahre dauerte das Projekt. 1985 stieß Lüning in Schwanfeld auch auf zwei Gräber, die ersten für die älteste Bandkeramik in Süddeutschland überhaupt. Zehn Jahre später ließ Lüning mit Hilfe der C14-Methode, bei der Knochen auf wenige Jahrzehnte genau datiert werden können, das Alter des steinzeitlichen Bauern bestimmen. Um sicher zu gehen, kombinierte der Forscher das Ergebnis mit den Funden aus der Schwanfelder Grabung.

Das damals führende Institut für die C14-Methode in Heidelberg bestätigte dem Wissenschaftler: Die ausgegrabenen Häuser sind rund 7500 Jahre alt und damit bis heute Deutschlands erste menschliche Besiedelung. In der Fachwelt ist Schwanfeld seitdem eine Berühmtheit.

Doch auch die Bewohner sind seit Lünings Erkenntnissen mächtig stolz auf die Vorgeschichte ihres Dorfes. Zwar kann von einer durchgängigen Besiedelung bis heute nicht die Rede sein. Schwanfeld nennt sich trotzdem „ältestes Dorf Deutschlands“. Auf 400 Quadratmetern werden die Funde jetzt erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Über 400 Ausstellungsstücke wie Scherben und Pfeilspitzen werden im neuen Bandkeramik-Museum zu sehen sein, mehr als 90 Prozent stammen aus der Schwanfelder Grabung.

Das neue Museum kostete 360.000 Euro

Zum ersten Mal bekommt Bayern damit auch ein Museum speziell zur Bandkeramik. „Die große Bedeutung Schwanfelds für die mitteleuropäische Vorgeschichte hat diese Ausstellung unumgänglich gemacht“, sagt Albrecht Gribl von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern in München.

Um möglichst viele Besucher nach Schwanfeld zu locken, haben sich die Verantwortlichen für ein Mitmachmuseum entschieden. „Wir wollen Archäologie zum Anfassen“, sagt Bürgermeister Richard Köth. Aus diesem Grund gibt es zu jedem der 400 Originale auch Repliken zum Anfassen. Bandkeramische Hüte und Gewänder stehen zum Anziehen bereit – Besucher können Getreide mahlen wie ihre Steinzeit-Vorfahren. „Das muss erlebbar sein“, erklärt Köth. 360.000 Euro kostete die Realisierung des neuen Museums. Hannes Vollmuth

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