Deutschland bleibt steiniges Pflaster für Startups

Wer aus einem Startup ein erfolgreiches Unternehmen machen will, geht ein hohes Risiko ein - und braucht Geldgeber. Daran hapert es in Deutschland nach wie vor.
dpa |
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Ein Pfeil zeigt auf einer Digital-Konferenz den Weg zur Bühne für Start-ups. Foto: Jens Kalaene/zb/dpa/Archivbild
dpa Ein Pfeil zeigt auf einer Digital-Konferenz den Weg zur Bühne für Start-ups. Foto: Jens Kalaene/zb/dpa/Archivbild

München (dpa/lby) - Allen politischen Bekenntnissen zum Trotz bleibt Deutschland ein steiniges Pflaster für Startups. Hauptproblem bleibt die Finanzierung, wobei nach Einschätzung mehrerer Branchenvertreter und Fachleute eine paradoxe Situation entstanden ist: Der Staat fördert zwar mittlerweile die Gründung von Startups. Doch einheimische Geldgeber, die Jungunternehmen nach der Gründungsphase weiteres Wachstum ermöglichen können, fehlen nach wie vor. So geraten erfolgversprechende deutsche Startups dann häufig in Abhängigkeit ausländischer Investoren, mit der Gefahr, dass die Technologie über kurz oder lang abwandert.

"Bei den Investoren gibt es nach wie vor ein Riesenloch im mittleren Bereich", sagt Carsten Rudolph, Geschäftsführer der Förderagentur BayStartup in München. "Die ersten ein, zwei Millionen Euro sind für die meisten Startups kein Problem. Die Investorenszene für die Frühphase hat sich erfreulich gut entwickelt", sagte Rudolph der Deutschen Presse-Agentur.

Bei den Startup-Gründungen seien Bayern und Berlin in der Frühphase gleichauf. "Bayern hat die Nase vorn, wenn es um deep tech geht" - der szeneübliche Fachbegriff für mit großem Entwicklungsaufwand verbundene Technologie.

Die bayerische Startup-Szene ist nach Rudolphs Angaben keineswegs auf die Landeshauptstadt beschränkt: "Fünfzig Prozent der Startups sind im Großraum München, aber fünfzig Prozent eben auch nicht", sagte der Baystartup-Geschäftsführer. "Wir versuchen, allen Unternehmen die gleichen Startchancen zu geben. Wir funktionieren ein bisschen wie ein Trichter."

Die vom Freistaat geförderte Agentur veranstaltet unter anderem alljährlich zwei Businessplan-Wettbewerbe: "Durch die Trennung in zwei Wettbewerbe erreichen wir mehr Fläche, als das bei einem gesamtbayerischen Wettbewerb möglich wäre."

In Deutschland gebe es jedoch zu wenig Risikokapitalfonds, die Startups den nächsten Schritt ermöglichen: "Schwierig wird es ab 10 Millionen Euro aufwärts, wenn es für ein Startup darum geht, die Welt zu erobern. Und je weiter Sie nach Norden kommen, desto dünner wird das Ganze", sagt Rudolph.

Die Folge: Startups, die wachsen wollen, sind meist auf ausländische Geldgeber angewiesen, wie Paul Wolter sagt, Sprecher des Bundesverbands Deutsche Startups. "Das Wachstumskapital ist ein Engpass." Das wird auch außerhalb der Startup-Szene bestätigt: Geldgeber für die Wachstumsphase seien sehr oft ausländische Investoren, sagt Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). "Es sind viele deutschen Startups keine deutschen Startups mehr."

So gerät in der Anfangsphase mit deutschen Staatszuschüssen entwickelte Technologie schlussendlich unter ausländische Kontrolle. Und das wiederum führt nach Angaben der Fachleute häufig dazu, dass die Technologie ins Ausland abfließt. "Wenn sich ein Startup nach China verkaufen muss, ist das volkswirtschaftlich nicht unbedingt sinnvoll", sagt Rudolph dazu.

Zudem zeigt der regionale Blick, dass große Teile Deutschlands eine Startup-Steppe sind, in der wenig wächst. Laut "Deutschem Startup-Monitor" - einer alljährliche Studie des Bundesverbands und der Unternehmensberatung PwC - werden etwa drei Viertel aller Startups in sechs Bundesländern gegründet: NRW, Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg. Im restlichen Bundesgebiet - vor allem in Ostdeutschland - tut sich sehr wenig.

Und finanziell tun sich Gründer außerhalb Bayerns und Berlin offensichtlich besonders schwer: An Startups in diesen beiden Bundesländern sind über 40 Prozent der Förderzusagen des High Tech Gründerfonds geflossen, wie dessen regionaler Auswertung zu entnehmen. Der HTGF ist ein Kooperationsprojekt von Bundesregierung und Privatwirtschaft.

Banken müssen bei der Gründungsfinanzierung vorsichtig sein, sie sind rechtlich verpflichtet, bei der Kreditvergabe keine unüberschaubaren Wagnisse einzugehen. Nicht umsonst lautet eine deutsche Übersetzung des englischen Begriffs Venture Capital "Wagniskapital". "Es liegt in der Natur der Sache, dass das Ausfallrisiko bei Unternehmensgründungen höher ist als bei etablierten Unternehmen, die es seit zwanzig Jahren gibt", sagt Herbert Maier, Leiter Unternehmenskunden Süd bei der Commerzbank.

Banken hätten bei der Gründungsfinanzierung stets "mit einer mehr oder weniger großen Black Box zu tun", sagt Maier dazu. Die Kompetenz der Bankberater ist nach Worten des Bankmanagers "extrem wichtig, sei es um auf Risiken hinzuweisen oder Tipps für den Businessplan zu geben". Die Commerzbank hat sich über ihre Tochter "Main Incubator" selbst an etwa 30 Finanz-Startups beteiligt.

Ein wesentlicher Grund für den allgemeinen Mangel einheimischer Geldgeber ist nach Einschätzung der bayerischen Industrie- und Handelskammern das deutsche Steuerrecht: Viele Startups scheitern, dementsprechend setzen auch viele Investoren Geld in den Sand. BIHK-Hauptgeschäftführer Gößl fordert daher bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Risikokapital: "Wagnisfinanzierung braucht steuerliche Unterstützung."

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