Deutsche Bahn koppelt Kempten ab
KEMPTEN - Die Bahn kommt – aber nicht nach Kempten. Nach einem neuen Gutachten zum geplanten Börsengang der Deutschen Bundesbahn (DB) sollen 15 renditeschwache Fernverkehrsstrecken stillgelegt werden. Darunter auch die 64000-Einwohner-Stadt im Allgäu.
Kemptens Oberbürgermeister Ulrich Netzer ist darüber empört und sagte zur AZ: „Das wäre ein Skandal. Eine top Fremdenverkehrs- und eine starke Wirtschaftsregion wären damit praktisch vom Fernverkehr abgeschnitten. Schließlich läuft alles über uns.“
Patient Fernverkehr. Seit Jahren fährt die DB auf einigen ihrer Langstrecken Defizite ein. Sollte – wie von der Bundesregierung beabsichtigt – die Bahn an die Börse gehen, muss das Unternehmen auf Gewinn getrimmt werden. Die Unternehmensberatung KCE hat eine Studie herausgebracht. Sie wurde im Auftrag von mehreren Bundesländern und fünf Verkehrsbünden, in denen sich Städte, Kreise und Eisenbahnunternehmen organisieren, von der KCE erstellt. Das Ergebnis: Fünfzehn Städte müssten vom Fernverkehr abgehängt werden, damit die Bahn als AG in Fahrt kommt. Darunter sind Flensburg, Emden, Brandenburg, Potsdam, Trier, Konstanz, Gießen, Paderborn, Cottbus, Halle (Saale), Marburg, Pforzheim, Kempten, Ravensburg/Friedrichshafen und Mühlheim an der Ruhr.
„Hanebüchene Stimmungsmache“
„Dazu darf es bei uns in Kempten nicht kommen“, sagte OB Ulrich und fügte hinzu: „Das widerspricht allen Gesprächen, die wir seit Jahren mit der Bahn führen.“
Die Bahn selbst hält die KCW-Studie für „hanebüchene Stimmungsmache“. Karl-Friedrich Rauch, DB-Vorstand für den Personenverkehr, sagte gegenüber Spiegel-Online: „Es ist frei erfunden, dass Dutzende Halte im Fernverkehr aufgegeben werden sollen. Unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Arbeit werden hier unverantwortlich Ängste geschürt. Ohne jeden Grund werden Reisende und politisch Verantwortliche verunsichert.“
Die Bahn-Reform sorgt auch für Kontroversen in Berlin. Uneinigkeit herrscht darüber, welche Bereiche privatisiert werden sollen. Derzeit wird ein so genanntes Holding-Modell favorisiert. Schienennetz sowie Bahnhöfe bleiben beim Bund, Personen- und Güterverkehr gehen an die Börse
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