Des Reiches Schuttkästlein
Avanti, dilettanti! Rand-Künstler bieten der etablierten Kunstszene die Stirn. So die Milchkanne von Gisela Lipsky oder das Zofen-Outfit von Brigitta Haupt. Auch die Fotos von Hans Grassers Fotos bevorzugen brutalstmögliche Nürnberg-Idylle.
Es ist übersichtlich, das Oeuvre von Fitzgerald Kusz als Maler. Mit seinen Wellpappenfurchen im sauber portionierten Siedlungsraum fühlt man sich an Limerick im Winter erinnert, jedenfalls an halbdunkle November-Freundlichkeit. Es mag nicht verwundern, dass der Nürnberger Dialekt-Papst nach Erschaffung dieses Bildes doch eher an die Karriere als Autor geglaubt hat. Diesen Moment der Selbsterkenntnis kann man jetzt in der Ausstellung „Autodidaktischer Autismus“ der Galerie Bernsteinzimmer nachholen, wo Kusz neben Kollege Helmut Haberkamm, Schauspielerin Adeline Schebesch und 16 anderen Rand-Künstlern dem ehernen Kauderwelsch der Kunstkuratoren-Clique die Stirn bietet. Avanti, dilettanti!
Auch auf der anderen Seite der Pegnitz, im Deutschherrncarree, lässt sich gegenwärtig erleichtert feststellen, dass eine ironische Grundhaltung der Kunst gut tut. Der Fotograf Hans Grasser, einer der AZ-Sterne des Jahres, liefert in der Galerie Landskron/Schneidzik den Stadtentwicklungsplänen von OB Maly reichlich Anschauungsmaterial mit brutalstmöglicher Idylle. Neue „Grüße aus der Stadt“, die den geschönten Postkartenkitsch in Beton gießen und dem Ortsfremden spielerisch im Nürnberg-Vorurteil bestätigen. Eine Stadt der Gedankenlosigkeit ist da lapidar an die Wand gepinnt, Lauter bittere Schokoladenseiten des Reiches Schuttkästlein: sehr einladend die schmucke Gefängnis-Silhouette, die historischen Pinkelecken aus Sandstein, die Müllcontainer-Oasen und Discounter-Augenweiden. Und man merkt: Grasser, der Schmutzbefohlene und Spottwart der Stadt, hat noch jede Menge Munition.
„Echte Kunst ohne niedere Absichten“ entdeckt Fredder Wanoth vom Bernsteinzimmer bei der aktuellen Auswahl, die Andy Warhols Slogan vom 15-Minuten-Star in den Grundkurs Kunst verlängert. Kreativsinn ist, wenn man’s trotzdem macht. Musiker Horst Faigle quält sich mit der korrekten Sex-Stellung von Lego-Stapelpferden herum, Physiker Theobald Fuchs münzt Sitzungslangeweile in Pencksche Miniatur-Inschriften um, Adeline Schebesch bleistiftelt sich in Bausch und Bogen durch Kleider und Muskeln und Komponist Volker Blumenthaler lässt auf seinem Foto die ruhende Energie einer Geige strahlen. Dass die Einladung zur Kunst mit Fallstricken verbunden sein könnte, registrierte Rundfunksprecher Ulrich Kulp sehr wohl. Folglich bettete er seine Periode der „Wanderdüne“ ein, ins blubbernde Fachsprech der Branche. Das hebt den Wert der Kunst sofort.
Andreas Radlmaier
Galerie Bernsteinzimmer (Großweidenmühlstr. 11): bis 13. April, Sa/So 15-19 Uhr. Galerie Landskron/Schneidzik (Deutschherrnstr. 15): bis 26. 3., Mi–Fr 12-18, Sa 12-16 Uhr
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