"Der wird nicht nochmal so treffen"

Der Club-Keeper freut sich auf die Revanche mit Schalke und Julian Draxler, verrät, dass er in Nürnberg gerne alt werden würde, und wie er mit der neuen Einsamkeit zwischen den Pfosten umgeht
von  Markus Löser
Ein lange Zeit ungewöhnliches, in letzter Zeit aber ein häufiges Bild: Raphael Schäfer, einsam und arbeitslos im Club-Tor. Was Schäfer aber überhaupt nicht stört.
Ein lange Zeit ungewöhnliches, in letzter Zeit aber ein häufiges Bild: Raphael Schäfer, einsam und arbeitslos im Club-Tor. Was Schäfer aber überhaupt nicht stört. © Zink/DaMa

AZ: Wie fühlt es sich denn an, wenn Sie wie zuletzt in schöner Regelmäßigkeit 90 Minuten quasi nur im oder vor dem Tor nahezu beschäftigungslos rumstehen?
RAPHAEL SCHÄFER (lacht): Für mich ist das sehr entspannend. Die Jungs machen definitiv einen sehr guten Job. Es hat uns doch keiner zugetraut, dass wir so konstant, immer hochkonzentriert spielen. Dieser große Sprung war für uns selbst so nicht vorhersehbar. Man muss aber auch sehen, dass alle 100 Prozent geben – wenn nicht sogar mehr.
Wird es Ihnen manchmal langweilig, so einsam und unterfordert zwischen den Pfosten?
Nö! Ich bin in jedem Spiel jede Sekunde auf diesen einen gefährlichen Ball vorbereitet, der auf meinen Kasten kommen könnte.
Ist da noch Platz für Mitleid mit einem Kollegen, der, wie Frankfurts Oka Nikolov am Freitag beim 1:0 durch Julian Schieber, gelinde gesagt grottenschlecht aussieht?
Bei solchen Schüssen ja. Die Flugbahn des Balles war fast unglaublich. Ich bin mir da schon bewusst, dass mir das auch passieren könnte. Aber mir ist es eben nicht passiert. Gut so.
Ihr bitterstes Gegentor in dieser Saison?
Das 2:3 im Pokal auf Schalke. Zudem noch in der 119. Minute. Ich ärgere mich noch immer. Auch dieser Ball von Julian Draxler machte eine kuriose Kurve. Ich hatte ihn höher berechnet, mich deshalb fürs Übergreifen entschieden. Doch dann ist er einfach nach unten gefallen. Mit einer Hand hätte ich ihn vielleicht gehalten, aber ich hatte meine Entscheidung schon getroffen. Die ließ sich leider nicht mehr ändern.
Dafür hat Dieter Hecking, seit er beim Club ist, keinen Stein auf dem anderen gelassen. Was ist das Geheimnis des gemeinsamen Erfolges?
In erster Linie, dass die jungen Leute voll mitziehen, sie das umsetzen, was der Trainer ihnen vorlebt und ihnen auch beibringt. Hecking legt die Messlatte sehr hoch, keine Frage. Es macht jedenfalls riesigen Spaß, in diesem Konzept mitarbeiten zu dürfen.
Und wie sieht die Rolle für die „alten Hasen” wie Sie aus?
Auch wir müssen Leistung bringen, keiner – ob jung oder alt – hat einen Freibrief. Wir reden viel mit den Jungen und sie hören viel zu, setzen das um, was wir versuchen, ihnen zu vermitteln.
Was denn?
Wie sie auf Situationen im Spiel am besten reagieren. Wie sie mit Druck umgehen, oder wie sie gegenüber der Öffentlichkeit, auch der Presse auftreten. Es ist einfach schön zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln. Besonders auf dem Platz natürlich. Schön, dass wir als Club endlich mal so viele Talente haben.
Mit Mehmet Ekici und Julian Schieber stehen allerdings zwei nach Stuttgart beziehungsweise München zurückkehrende Rohdiamanten nahezu fest. Und ein Transfer von Ilkay Gündogan ist auch noch nicht vom Tisch. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Es ist sicherlich eine große Herausforderung, Ersatz zu holen. Potenzielle Neuzugänge werden garantiert nicht erst im Mai angesprochen werden. Wobei ich in allen Fällen nicht so schwarz sehe. Warten wir doch mal ab, wie beispielsweise der VfB Stuttgart seine Hausaufgaben macht. Auch da kann schnell eine Tür aufgehen. Momentan ist vieles reine Spekulation.
Sehen Sie mit 32 Jahren aktuell Ihre letzte Chance, nach sechs Champions League-Spielen mit Stuttgart, nochmals international auftreten zu können?
Für einen Torwart ist das doch ein sehr angenehmes Alter. Tatsache ist, dass sich keiner gegen Erfolge oder gar Titel wehrt. Man muss aber die Möglichkeiten eines Vereins wie den Club sehen. Vor ein paar Wochen, nach dem 0:1 gegen Gladbach zum Rückrundenstart, war das Wehklagen im Umfeld schon wieder groß. Wir können unsere Situation sehr gut einschätzen. Keiner würde sich einen Gefallen tun, wenn er beginnt, von irgendetwas zu träumen.
Wie „liest” eigentlich ein Profi die Tabelle im Vergleich zu einem Fan?
Ich schaue sie mir an – und gut. Ich rechne das nächste Wochenende nicht durch. Wenn und Aber hat im Fußball nichts verloren. Ich denke auch nicht an eine Serie. Man gewinnt nicht zehn Spiele auf einmal, sondern eventuell zehn Mal ein Spiel in Folge. Deshalb ist das nächste immer das wichtigste.
Am Samstag auf Schalke, Freude Sie sich auf das mögliche Wiedersehen mit Julian Draxler?
Der wird nicht noch einmal so treffen. Wir sind in einer guten Verfassung, haben dort noch etwas gutzumachen.
Wie viele Bundesliga-Spiele im Club-Trikot kommen denn zu Ihren 150 noch dazu?
Mein Vertrag läuft bis 2012 – also mindestens elf in dieser und 34 in der nächsten Saison. Ich fühle mich in Nürnberg sehr wohl. Auch meine Schwester Annette wohnt schon lange hier, meine Eltern jetzt seit eineinhalb Jahren, fünf Gehminuten von unserem Zuhause. Der Verein und ich wissen, was wir aneinander haben. Ich will in Nürnberg definitiv alt werden – nach meinem Karriereende auch körperlich.

Interview: Markus Löser

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