Der Ursprung in der Schüssel

Volle Häuser zum Start der 25. Nürnberger Kabarett-Tage, aber voll überzeugen konnten Alfred Dorfer (Wien) und Martin Buchholz (Berlin) nicht.
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Im Sprungtuch für Harmloses: Alfred Dorfer.
Burgtheater Nbg Im Sprungtuch für Harmloses: Alfred Dorfer.

NÜRNBERG - Volle Häuser zum Start der 25. Nürnberger Kabarett-Tage, aber voll überzeugen konnten Alfred Dorfer (Wien) und Martin Buchholz (Berlin) nicht.

Es geht in schöner Übereinkunft auch um Löcher an diesen beiden Abenden. Und die Tatsache, dass in der Mitte des Loches – auch wenn es seinen Rand hält – das Nichts lauert. In der Mitte der Krisengesellschaft ist sichtlich auch die Satire angekommen, wo zum Start der 25. (und letzten) Nürnberger Kabaretttage erst gewienert, dann berlinert, auf alle Fälle an zwei Seiten einer Medaille reichlich herumpoliert wurde. Volle Häuser und volle Begeisterung bei den Routine-Rempeleien der Ösi-Kultgestalt Alfred Dorfer (Wien) und des Piefke-Wortspieltriebtäters Martin Buchholz (Berlin), wo Merkelland und Mauerfall im Schraubstock der Humorpressen, wahlweise herabsausend oder herablassend, landeten. Jetzt kann bei diesem Festival die andere Seite der Satire-Medaille kommen.

Die Teilung ist doch längst gerecht verteilt, höhnt Martin Buchholz zum 20. Einheiztag im Burgtheater: Die einen haben den Vorteil, die anderen den Nachteil. Alfred Dorfer lobt in der Hinsicht die Deutschen am Abend vorher in der Tafelhalle für ihre Phantasie, die den Österreichern weit überlegen sei: Schließlich werde mit der Einheit etwas gefeiert, was es gar nicht gibt. „fremd“ nennt Dorfer seine kaltlächelnde Nachbarschaftshilfe, die unbekümmert Altlasten des Tagesaktuellen mitschleift (Stoiber, Schröder, Merkels Kanzlerdämmerung).

„Geh! Denken!“ lautet der kabarettistische Imperativ bei Buchholz, der im 20. Solo „The Miesest and The Fiesest“ seiner Pointen aus vertrauter Kalauerstellung in den Wahltran abfeuert. Der inoffizielle Innungsmeister der Sprachdrechsler gedenkt der Liebe in den Zeiten der Kohl-Ära, surft auf der Westerwelle („Die FDP ist wieder Ausschlag-gebend“), outet Honecker als frühen Ghostwriter für Merkel (früher FDJ-Tante, nun Regierungs-Mutti) und ruft als heimatloser Westberliner gen Osten: „Wir haben euch nicht übernommen, ihr habt euch übergeben.“ Der germanische Ursprung in der Schüssel als wahrhaft erschöpfender Schwatz am Silbensee.

Ins Ungefähre (der geistigen Heimat des Österreichers, erfährt man) driftete auch Alfred Dorfer, der mit Homer, William Shakespeare, Babylon und Ostdeutschen, die auf österreichischen Skihütten westdeutsche Urlauber bedienen, das Fremdeln personifizierte. Das Wichtigste am Humor ist, sagt er beim furiosen Auftakt, ist, dass er spontan ist – und lässt Lacher vom Band einspielen. Später wird vom Volk ein Songtext eingefordert, dessen Melodie die kauzige Band soeben spielte. In der Combo sitzt Cabaret-Kollege Gunkl als wunderbar absurder Sparrings-Philosoph. Etwa für die Frage: „Wenn ich die Zecke gegen den Uhrzeigersinn rausdrehe, kann ich dann in die Vergangenheit reisen?“

Es geht um Verständnis und Nichtverstehen, Selbstdarstellung und Sarkasmus, geträumte Bilder und Biographien. Und die Belastbarkeit des Theatralischen im Kabarett. Da rutscht Dorfer allmählich durch die Stoßkanten seiner bizarren Parallelwelten. Und landet im Sprungtuch für Harmloses. Da tröstet die Aussicht auf Dorfers Ex-Kompagnon Josef Hader am 28. November. Andreas Radlmaier

Die nächsten Gastspiele im Rahmen der Kabarett-Tage sind ausverkauft. Karten wieder für „Spitzenreiter“ HG Butzko (12.11.), Holger Paetz (13.11.), „Lobbyland“ der Buschtrommel (14.11., alle Burgtheater) sowie „Der entscheidende Tor“ von Michael Altinger (17.11., Tafelhalle). Karten: Tel. 0911/222728

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