Der unheilvolle Drang nach oben

Tausende genießen jetzt die Bergsaison. Doch die Zahl der Unfälle von Wanderern ist gestiegen. Der Grund: Selbstüberschätzung. Vor welchen Touren die Experten besonders warnen.
von  Abendzeitung
Rush-Hour auf Deutschlands höchstem Berg: Die Zugspitze ist ein beliebtes Wanderziel.
Rush-Hour auf Deutschlands höchstem Berg: Die Zugspitze ist ein beliebtes Wanderziel. © dpa

MÜNCHEN - Tausende genießen jetzt die Bergsaison. Doch die Zahl der Unfälle von Wanderern ist gestiegen. Der Grund: Selbstüberschätzung. Vor welchen Touren die Experten besonders warnen.

"Wir waren alle wie süchtig, als wir unten in die Seilbahn gestiegen sind“, sagt Konrad Krämer. Unbedingt wollte der Rentner mit einer Seniorengruppe zur Bayreuther Hütte im Rofangebirge aufsteigen – doch schon auf halbem Weg haben zwei der Wanderer einen Schwächeanfall. „Dann ist einer umgefallen und abgerutscht“, sagt Krämer. Kurz darauf kollabiert auch seine Frau Irmgard, eine Freundin von ihr zieht sich beim Sturz einen dreifachen Knöchelbruch zu. Acht der Senioren müssen ins Tal gebracht werden, drei von ihnen werden sogar von der Bergwacht mit dem Hubschrauber ausgeflogen – sie alle haben ihre Kondition überschätzt.

„Über die Hälfte aller Unfälle passiert wegen Herz- Kreislauf-Versagen“, sagt Florian Hellberg, Bergführer beim Deutschen Alpenverein, der AZ. Und: „Die Zahl der Wanderunfälle ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.“ So passiert immerhin ein Drittel aller Bergunfälle beim Wandern – die Unfallquote ist damit genauso hoch wie auf der Skipiste. Das letzte Drittel der Bergunfälle entfällt auf Bergsteiger, Hochtourengeher, Eis- und Felskletterer sowie Mountainbiker.

Wandern – ein gefährliches Hobby?

Die Zahlen des Deutschen Alpenvereins sprechen dafür: Die Noteinsätze auf Wanderwegen in den Alpen haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Allein bis Juni diesen Jahres – also vor der Hauptsaison – musste die bayerische Bergwacht 385 Wanderer bergen – aber nur sieben Bergsteiger. Tödliche Unfälle wie am Nanga Parbat sind laut DAV die Ausnahme.

Dafür mehren sich die Unglücke an Klettersteigen. „Ein neuer Trend“, sagt Hellberg. Seit 2000 gibt es 50 Prozent mehr Unfälle, „denn die Eisenleitern täuschen falsche Sicherheit vor“. Wie bei den Wanderwege wird auch bei Klettersteigen die Herausforderung unterschätzt. „Es sind meist Leute mit wenig Erfahrung, die verunglücken“, sagt Alpenexperte Stefan Winter. Und Männer über 50 Jahren: Sie haushalten nicht mit ihren Kräften, dann wird ihnen schwarz vor Augen, sie stolpern oder stürzen.

In diesem Jahr hat auch Neuschnee die Wanderer überrascht – und in lebensgefährliche Situationen gebracht. Allein 34 Mitglieder des Deutschen Alpenverein starben 2007 in den Bergen, die Schweizer Bergwacht spricht sogar von über 2000 Noteinsätzen. „Es ist die Kombination aus Unerfahrenheit und dem Hochhinauswollen, die die Menschen in Gefahr bringt“, sagt Andrea Händel vom DAV.

Sie warnt vor den so genannten Prestige-Bergen Bayerns, auf denen jedes Jahr Wanderer verunglücken:

Zugspitze

Die Zugspitze mit 2962 Meter ist der Unfall-Berg schlechthin. Den Aufstieg durch das Höllental sollten – wie der Name schon sagt – nur geübte Wanderer sich zutrauen. Das Gefährliche: Anstrengend wird die Tour erst kurz vor dem Gipfel. Vielen geht dann die Puste aus.

Watzmann

Der Watzmann mit 2713 Meter hat mit der Ostwand eine der höchsten Wände der Alpen. Auch der leichteste Weg hat die Schwierigkeitsstufe III. Die meisten Unfälle passieren bei Schneeschmelze oder durch Steinschlag.

Heilbronner Weg

Der Heilbronner Weg auf 2615 Metern ist der hochalpinste Höhenweg im Allgäu. Gerade bei schlechten Wetter ist der Aufstieg schwierig – eine Herausforderung ist auch der Schnee, der oft bis in die Sommermonate liegen bleibt.

Mindelheimer Klettersteig

Der Mindelheimer Klettersteig bis 2320 Metern ist zwar gut mit Drahtseilen gesichert – doch auch wenn der Aufstieg nur drei Stunden dauert, braucht es gute Kondition. Und schwindelfrei sollte man sein: Zum Teil ist das Gelände auch ungesichert.

Hindelanger Klettersteig

Der Hindelanger Klettersteig in Oberstdorf endet auf 2280 Metern und ist durchaus anspruchsvoll – vor allem wegen des langen Aufstiegs.

Auch vergessen viele die passende Ausrüstung einzupacken. „Es muss nicht jeder immer auf den Gipfel“, sagt Händel. „Auch ohne Gipfelsturm ist Wandern noch ein einzigartiges Erlebnis.“ Ihre Tipps für das kommende Wochenende: „Bei den angekündigten Regen bleiben Sie am besten in den tiefen Lagen, bei einem Gewitter empfiehlt es sich möglichst früh aufzubrechen.“

Anne Kathrin Koophamel

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