"Der Typ, der da rumbrüllt, hat mit mir nichts zu tun"

NÜRNBERG - Als notorisch schlecht gelaunter Comedian macht Matthias Egersdörfer zur Zeit (Fernseh-) Karriere. Ein Gespräch über Kindheit, Kunst und Toleranz.
Weitere Preise zu kassieren, wäre „Strebertum“ gewesen, sagt Matthias Egersdörfer, Frankens aktueller Comedy-Komet. Der notorisch schlechtgelaunte „Berufs-Choleriker“, der das Passauer Scharfrichterbeil ebenso abgeholt hat wie den Hamburger Comedy-Pokal und ein Nürnberger Kulturstipendium, wird momentan flächendeckend durchs Fernsehen gereicht: von Kurt Krömer über Ottis Schlachthof bis hin zu Stefan Raab.
Der ARD–„Satiregipfel“ folgt im Juni, „Neues aus der Anstalt“ (ZDF) im November. Dazwischen liegen übers Jahr verteilt 150 Auftritte bis nach Österreich und der Schweiz. Für Herbst 2010 ist ein neues Programm geplant, bis dahin spielt Egersdörfer sein drittes Solo „Falten und Kleben“, ist mit Tubist Heinrich Filsner unterwegs – und der schrägen Musikgruppe „Fast zu Fürth“.
AZ: Herr Egersdörfer, zum Aufwärmen erzählen Sie uns jetzt mal einen Witz.
MATTHIAS EGERSDÖRFER: Ououou, aan Witz. (Lange Pause). Aiaiai.
Fällt Ihnen keiner ein?
Doch, ich kann ja meinen Lieblingswitz erzählen: Der stammt aus der Zeit, als es noch Tankwarte gab. Also: Ein Mann kommt zur Tankstelle, lässt seinen Lastwagen betanken, der Tankwart schaut unter die Plane, sieht dort 80 Pinguine und sagt zu dem Mann: Was machen Sie denn mit den Pinguinen? Die gehören doch in den Zoo! Darauf der Mann: Superidee. Und fährt wieder weg. Am nächsten Tag kommt er wieder und sagt: Volltanken, bitte! Tankwart macht voll und schaut wieder unter die Plane, wieder 80 Pinguine. Diesmal mit Sonnenbrillen. Sagt der Tankwart: Ich habe Ihnen doch gesagt, dass die in den Zoo müssten. Antwortet der Mann: Waren wir ja auch. Heute fahren wir an den Strand.
Gehören Witze zu Ihrem Berufsbild?
Die Vorstellung, dass ich beim Schreiben witzig sein muss, haut überhaupt nicht hin.
Sind Sie dann von der Reaktion der Öffentlichkeit wohl verblüfft?
Es ist oft so, dass ich von den richtig guten Jokes vorher nicht weiß, dass das welche sind.
Entsprechen Sie vielleicht gar nicht dem Comedian-Muster?
Darunter kann ich mir gar nichts vorstellen. Ich halte bestimmt nicht ein, dass ich soundsoviele Pointen und Gags in der Minute setze.
Der Begriff „Comedian“ reicht ja von Monty Python bis Mario Barth. Wo sehen Sie sich?
Mario Barth und ich teilen uns sicher Themen. Nur wird es bei mir tragischer, schlimmer.
Ihnen wurde auch schon geistige Nähe zum fränkischen Humoristen Herbert Hisel unterstellt. Sagt der Ihnen überhaupt noch was?
Jaja, irgendwann habe ich mir CDs von ihm gekauft. Da sind zeitlos schöne Nummern drauf.
Haben Sie überhaupt irgendwelche Vorbilder?
Im Nachhinein muss ich feststellen, dass ich Sigi Zimmerschied vergöttert habe. Zitate von ihm waren auf dem Pausenhof der Running Gag.
Welche Rolle pflegten Sie als Schüler?
Den Clown. Hauptaufgabe beim Abfragen war in dieser Zeit, die Leute möglichst oft zum Lachen zu bringen.
Das widerspricht aber dem, dass Sie nicht genau wissen, wo die Lacher lauern.
Beim Schreiben weiß ich es ned...
In der Öffentlichkeit schon?
(Pause.) Naja, das war mehr so Impro. Man bekommt Fragen gestellt und versucht das dann so zu drehen, dass ein Witz draus wird. Darauf kann man sich nicht vorbereiten.
Bei Ihnen geht es um Gratis-Gelbwurst beim Metzger und elementares Wissen über die Brennbarkeit von Ameisen. Spielt die Kindheit also eine wesentliche Rolle?
Auf jeden Fall.
Und das Elternhaus war Horchposten für radikalen Humor?
Der böse Umgang mit dem Publikum kommt bestimmt von meinem Vater. Der hat auch seine Enkel nicht vor Ironie verschont. Ein paar konnten etwas damit anfangen, andere hat er damit verschreckt.
Und die Rolle der Mutter?
Die Mutter ist eine schillernde Persönlichkeit, die zwar keine abendliche Bühne hat, aber das Umfeld ist theatral geprägt. Eine eigenwillige Frau im Denken und Sprechen. 360-Grad-Kabarett.
Also doch eine frühkindliche Humorprägung. Dennoch hat es mit der Zündung lange gedauert. Wann haben Sie gemerkt, dass es Sie auf eine Bühne zieht?
1996 habe ich im Kulturverein Winterstein einen Ernst-Jandl-Abend gemacht und dazwischen Geschichten erzählt. Das unterscheidet sich nicht so sehr von dem, was ich heute mache. Ich habe halt zehn Jahre gebraucht, um zu merken, dass man damit Geld verdienen kann.
Sie sind ein Spätzünder. In jeder Beziehung?
Jaja, die erste Freundin auch erst mit der Volljährigkeit. Ich habe auch das Prinzip Schule erst zum Schluss verstanden. Ich war immer ein verträumtes Kind, das seine Zeit gebraucht hat.
Mit welchen Neigungen? Sport wohl kaum, oder?
Naa, Sport war ein Fiasko. Als ich das Schreiben gelernt habe, sind auch die ersten Tagebücher entstanden, wo ich versucht habe, die Jokes festzuhalten.
Ein Mann des Wortes.
Auf jeden Fall.
Warum sind Sie dann erst bei der Bildenden Kunst gelandet?
Ich hatte immer vor dem hehren Begriff des Künstlers unheimlich Respekt. Dass einer die Frechheit besitzt zu sagen, ich spiele jetzt Schau oder ich male, ohne dass man davon herunterbeißen kann. Man braucht ihn nicht wirklich, und der behauptet: Damit verdiene ich jetzt mein Geld. Im Kulturverein Winterstein konnte man sich diese Leute mal aus der Nähe anschauen: Toni Burghart, Eckhard Henscheid, Dan Reeder.
Die nächste Stufe war dann die Nürnberger Kunstakademie?
Naja, Theater hat es schon immer gegeben. Es gab das Durchgangstheater Berlin und das Theater Woblist in Nürnberg, aber da ging es ab einem bestimmten Punkt nie weiter.
War das Kunststudium dann so etwas wie das Parken von Leidenschaft?
Nein, das war der Katalysator, zu sehen, dass man als Künstler keinen Vorgesetzten hat, dass man selbst der Chef ist, der sich eine Struktur schaffen muss.
Hat die Praxis Sie dann ernüchtert?
Nein, ich habe gemerkt: Das ist eine Arbeit. Mit meinem „Fußballlexikon“ und seinen 1800 Filmchen zum Beispiel habe ich das dann ausprobiert. Ein Tagespensum abzuarbeiten, zu malochen.
Wie kommt man auf so ein absurdes Fußball-Regelwerk?
Das war späte Rache. Sich überhaupt nicht auszukennen und trotzdem das Maul aufzureißen. Fußballfans haben mir aber bestätigt, dass solche Sportplatztöne sehr realistisch eingefangen wurden. Aber bei genauem Hinsehen merkt man schon, dass ich überhaupt keine Ahnung habe.
Was, kein Club-Fan?
Ich sage immer, ich bin Fan von St. Pauli, Club und Greuther Fürth. Gleichzeitig.
Sie sind auch Meisterschüler von Peter Angermann. Wären Sie heute lieber ein erfolgreicher bildender Künstler?
So wie es jetzt ist, ist es genau richtig.
Was heißt das?
Die Hauptaufgabe im Schreiben zu haben, dieser direkte Zugang zum Publikum. Ich fühle mich sehr wohl in dieser Kabarett-Welt. Die Kunst-Welt ist viel verklausulierter.
Bildende Künstler werden meist schonender behandelt als Kabarettisten. Wie geht man mit Niederlagen um?
Man darf nicht in einen Pointendruck geraten. Dass der Saal still bleibt, gehört dazu. Man darf nicht nur bedienen.
Wieviel Egersdörfer steckt denn in der Bühnenfigur?
Das Meiste ist nicht gelogen. Nur: Der Typ, der rumbrüllt und sich aufregt, der hat mit mir überhaupt nichts zu tun.
Ist diese Figur noch in einem Findungsprozess?
Es gibt Duo-Szenen mit einer Frau, da ist dieser Typ nicht mehr liebenswert, sondern ein Drecksack. Die Kritiker finden das dann schön, aber das Publikum bricht reihenweise weg und schweigt. Der Egersdörfer ist dann nicht mehr der gute Kerl, sondern einer, der eine Frau quält mit Absicht und Freude.
Was löst bei Ihnen Spott aus?
Ich war kürzlich seit Jahren mal wieder in der Kirche, bei einer Kommunion, und das ist wirklich unfassbar. Vorher dachte ich: Vielleicht hat sich bei dir was geändert, du bist reifer geworden, oder die Predigt ist toll. Aber ich war wieder fassungslos: Was für ein Mummpitz!
Sie wollen sagen: Das war der Auslöser einer Geschichte?
Ja.
Die Sie aber noch nicht geschrieben haben?
Doch, gestern, spontan. Meist ist es der Moment der Hilflosigkeit, wo der Schwachsinn dieser Gesellschaft offensichtlich wird. Die „Titanic“ hat mich mal mit Schopenhauer in Verbindung gebracht. Den lese ich auch sehr gern.
Mittlerweile dürften Sie das deutsche Bahn-Netz gut kennen. Hat der Erfolg andere spürbare Veränderungen?
Beim Selbstbewusstsein hat sich schon etwas geändert.
Trotz übervollen Terminkalenders halten Sie aber brav der monatlichen „Comedy Lounge“ auf dem AEG-Areal weiterhin die Treue. Warum?
Man kann doch nicht 150 Mal nur „Falten und Kleben“ spielen. Die Nürnberger wissen jetzt, dass der Egersdörfer dort neue Dinge ausprobiert. Das ist mein Arbeitsraum. Und die Atmosphäre bei „Meister Robrock“ in der Halle ist einmalig.
Sie waren gerade Fernsehgast bei Kurt Krömer, bei Stefan Raab und Volker Pispers Fühlen Sie sich überall wohl?
Solange ich keine gespielten Witze mitmachen muss, meine Geschichte erzählen darf, ist’s mir ziemlich wurscht. Naja, bei Bei eigenwilligen Moderatoren wie Krömer wird es schwierig, weil das Publikum auf ihn geeicht ist.
Was ist für Sie die Kunst? Das Erhabene mit den Körperflüssigkeiten in Verbindung zu bringen?
Genau. Was mir schlimm wäre: G’scheite, gebildete Leute zu unterhalten. Ich freue mich schon über G’scheite, aber ich möchte auch, dass die Trottel drinsitzen.
Sind Sie von der Grundeinstellung also doch näher an Kurt Krömer als an Volker Pispers?
Würde ich schon sagen.
Also Trash?
Ich würde es mal Entspannungsmaßnahmen nennen. Ihr braucht nicht verkrampfen: Wenn ihr etwas nicht versteht, ist es auch nicht so schlimm.
Ihre Toleranz haben Sie ja unter Beweis gestellt, indem Sie nach Fürth gezogen sind. Warum das denn?
Kino in Laufnähe, schöne Wohnung. Aber wenn das mit der Neuen Mitte durchgezogen wird, ziehe ich vielleicht auch wieder weg.
Interview: Andreas Radlmaier
Matthias Egersdörfer und seine Gruppe Fast zu Fürth präsentieren am Mittwoch (20 Uhr) bei Meister Robrock (Muggenhofer Str. 135 Halle 50A) ihre neue Live-CD „Sexy Baby Tour“.