Der Koller-Kracher
Traumtor des langen Tschechen sichert sportlich überlebenswichtigen 1:0-Sieg des Club gegen die Wölfe. Vorbereiter Galasek: „Ein Zufallspass“
NÜRNBERG Hurra, wir leben noch. Spielern, Trainern, Funktionären und 45100 Fans fiel gestern zumindest einer von noch etlichen Sorgensteinen vom Herzen. Dank des fulminanten Krachers von Jan Koller, der im zweiten Versuch nach dem Abbruch der ersten Auflage vor zehn Tagen wegen sintflutartiger Regenfälle gegen den VfL Wolfsburg das FCN-Stadion nach 78 Minuten in ein Tollhaus verwandelte. 1:0 - oh, wie ist das schön. Der Club darf wieder Hoffnung schöpfen im Kampf gegen den Abstieg.
Kämpferisch voll engagiert, aggressiv gegen Ball und Gegner, keine Angst vor Schmerzen – nach der 0:3-Schmach von Stuttgart vier Tage zuvor hatten alle Spieler kapiert: Es ist fünf vor Zwölf. Und zwar in Sekunden, nicht in Minuten. „Wir haben die Dinge klar angesprochen“, erklärt Trainer Thomas von Heesen. „Und wir haben jetzt eine sehr gute Antwort gegeben. Jeder ist kämpferisch bis an die Grenzen gegangen.“ Zusatz: „Obwohl wir nicht durchweg die Typen im Kader haben, die das auch können.“
Besonnene Freude bei von Heesen
Gefühle wollte der 46-Jährige, der am 12. Februar die Nachfolge von Hans Meyer angetreten hatte, nach seinem ersten Heimsieg, dem ersten überhaupt seit dem 9. Dezember des Vorjahres, dem 2:1 gegen Hertha Berlin, nicht zeigen: „Das ist nicht meine Aufgabe. Mein Job ist es ausschließlich, alles dafür zu tun, dass wir da unten rauskommen.“
Dass ausgerechnet Jan Koller zum Matchwinner avancierte, „freut“ von Heesen. „Er hat für einigen Respekt in der Wolfsburger Hintermannschaft gesorgt, lobte von Heesen den zuletzt drei Mal nur auf der Bank schmorenden XXL-Stürmer (siehe Seite 12).
Einziges Manko: Auf das erste, das letztlich entscheidende Tor, musste der Anhang eine halbe Ewigkeit warten. „Wir müssen schon nach 25 Minuten 2:0 in Führung liegen“, hadert auch Marek Mintal mit dem Schicksal. Genauer gesagt dem Abseitspfiff von Schiri Marc Seemann (Essen) nach 14 Minuten, als Koller Millimeter falsch stand, sein Kopfballtreffer nicht zählte. Oder dem Pech, dass Robert Vitteks Kopfballtorpedo nur die Latte traf und nicht im Wolfsburger Netz landete.
Traumpass war nur Zufall
„Leider schauen die Unparteiischen bei uns ganz genau hin, statt auch einmal die Augen zuzudrücken“, lamentiert Tomas Galasek. Ausgerechnet der in den letzten Partien, ganz besonders in Stuttgart, von den Nebenleuten allein gelassene Chefstratege war es, der mit einem Traumpass Koller bedient hatte. „Ich bin ehrlich“, feixt „Galas“ und beschreibt seinen „Zufallspass: Das war keine Absicht. Ich stand so unter Druck eines Gegners, habe den Ball irgendwie nach vorne bugsiert.“ Koller, erneut im Abseits, war’s egal, ließ Madlung stehen und fackelte einen (legalen) Böller ab. Jan rundum glücklich: „Jetzt sind wir wieder da.“
„Nach Stuttgart wollten viele schon ein Kreuz mit der Aufschrift „Ruhe sanft“ für uns bestellen“, sagt Manager Martin Bader. „Es war wichtig, dass wir dieses Spiel so schnell vergessen machen konnten.“ Mit einem „hoch verdienten Sieg“, wie auch Ex-Club-Trainer Felix Magath, der leicht angesäuerte VfL-Coach, bescheinigt. „So muss sich der Club keine Sorgen machen.“
Bis zur endgültigen Rettung ist es allerdings noch ein ganz weiter Weg, respektive fünf Spiele. Das wissen alle. Galasek gibt für das nächste „Endspiel“ gegen Bielefeld kommenden Samstag die Marschroute schon mal vor: „Da geht es wieder um Leben oder Tod.“
Markus Löser