Der Killer mit den Kulleraugen: Waschbär-Plage erreicht Bayern

Waschbären haben sich bundesweit ausgebreitet – und sind eine Plage für gefährdete Amphibien-Arten. Auch in Bayern. Was gegen sie getan werden kann.
Maximilian Neumair, Nicole Schippers |
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Ein Waschbär schaut untereinem Dach hervor. Die Tiere schauen zwar niedlich aus, können aber gerade für Amphibien eine echte Bedrohung sein.
Ein Waschbär schaut untereinem Dach hervor. Die Tiere schauen zwar niedlich aus, können aber gerade für Amphibien eine echte Bedrohung sein. © picture alliance/dpa

München - Nachts klappern die Mülleimerdeckel, am nächsten Morgen liegt der Unrat rundherum verteilt auf der Straße. Auf der Suche nach Nahrung sind Waschbären nicht gerade wählerisch – und äußerst anpassungsfähig. Bei der massiven Verbreitung der Tiere in Deutschland ist das inzwischen ein Problem. Denn die Allesfresser mit der charakteristischen Zorro-Maske stören nicht nur die Nachtruhe in Wohngebieten, sondern bedrohen Experten zufolge auch den Bestand manch heimischer Tierart.

"Waschbären fressen immer das, von dem am meisten da ist", sagt der Wildtierbiologe Norbert Peter von der Universität Frankfurt. Im Frühjahr etwa ernähre sich der Waschbär von Amphibien, die auf dem Weg zu ihren Laichgründen seien, um dort ihre Eier abzulegen. "Das kann Auswirkungen haben auf bedrohte Arten." Schätzungsweise zwei Millionen Waschbären gibt es bundesweit – Tendenz steigend. Ursprünglich stammt das Tier aus Nordamerika. Seit der Aussetzung zweier Waschbärpaare in Nordhessen und mehreren aus einer Pelzfarm entflohenen Exemplaren im Zweiten Weltkrieg konnten sie sich ungehindert verbreiten. Hierzulande haben sie keine natürlichen Feinde.

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Waschbär-Plage in Bayern: "Können anderen Arten den Lebensraum streitig machen"

"Waschbären sind inzwischen in fast ganz Deutschland anzutreffen", sagt Torsten Reinwald, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbands (DJV). Besonders verbreitet seien die Tiere in Nordhessen, Südniedersachsen und Brandenburg. Sie seien in fast allen Bundesländern unter Beachtung des Muttertierschutzes ganzjährig jagdbar. So wurden laut DJV-Statistik im Jagdjahr 2022/23 bundesweit offiziell 202.821 Waschbären getötet, in der Saison 2000/01 waren es noch 9064.

Die zur Familie der Kleinbären zählenden Tiere seien ausgesprochen anpassungsfähig, intelligent, könnten sehr gut klettern und schwimmen, erklärt Reinwald. "So können sie sehr viele ökologische Nischen besetzen und anderen Arten den Lebensraum streitig machen oder sie fressen." In Thüringen beispielsweise besetzten Waschbären inzwischen die Hälfte aller potenziellen Nistplätze für Uhus und würden die Vögel vertreiben. In Brandenburg weise eine Vielzahl der streng geschützten Europäischen Sumpfschildkröten Verstümmelungen auf. Der Wildtierbiologe Peter und sein Team fanden heraus, dass Waschbären auch Fressfeinde von streng geschützten Erdkröten, Gelbbauchunken und deren Laich sind. Deren giftige Haut hält sie dabei nicht ab. "Die Waschbären häuten sie, bevor sie sie fressen. Das zeigen viele Opfer-Funde", sagt er.

Höchste Waschbär-Dichte im Nordwesten Bayerns

Und auch in Bayern verköstigen Waschbären Kröten. Besonders in den Landkreisen im Nordwesten des Freistaats an der Grenze zu Hessen, etwa Aschaffenburg und Bad Kissingen, kommen sie häufig vor. Die Dichte nimmt jedoch Richtung Süden ab, wie aus einem Bericht des Bayerischen Jagdverbands hervorgeht. Doch Frösche müssen sich nicht nur in der hessischen Grenzregion in Acht nehmen. Auch im Süden brechen Bestände zusammen. "Der Frosch kann nur einmal gefressen werden. Wäre der Waschbär nicht, gäbe es genügend andere Arten, die Amphibien fressen", sagt Artenschützer Andreas Zahn vom Naturschutzbund (Nabu) in Bayern der AZ. Das Tier verschärfe lediglich das Problem der rückgängigen Amphibienbestände.

"Der Waschbär ist ein niedliches und knuddeliges Tierchen, aber man darf nicht vergessen, dass er ein Beutegreifer ist", sagt Julian Heiermann vom Nabu Deutschland. Viele Amphibienarten hätten ohnehin schon massive Probleme bei der Reproduktion, etwa durch die Ausbringung von Pestiziden und Dünger, die Zerschneidung der Lebensräume durch Verkehrswege sowie durch den fortschreitenden Klimawandel und die damit einhergehenden Dürren bei denen Laichgewässer wiederholt austrockneten.

Artenschützer: "Trotz Jagd hat sich der Waschbär munter verbreitet"

Wie also umgehen mit den Plagegeistern? "Los werden wir den Waschbären nicht mehr", sagt Reinwald. "Aber mit der Jagd können wir die Bestände schon stark reduzieren. Es gibt keine effektivere Maßnahme." Unabdingbar sei dabei die Fangjagd, die aber beispielsweise in Berlin nicht erlaubt sei. "Fast 40 Prozent der Tiere werden in Lebendfallen gefangen." Die Politik müsse sich zur Jagd als Artenschutz-Instrument bekennen, fordert er.

"Natürlich kann man mal im Einzelfall schauen, dass man einen Waschbären schießt. Aber das löst das Problem nicht", sagt Artenschützer Zahn vom Nabu Bayern. Solange der Waschbär einen geeigneten Lebensraum habe – und den habe er als Allesfresser –, sei es kaum möglich, den Waschbärbestand so zu reduzieren, dass es wesentlich zum Artenschutz beiträgt. Auch Heiermann vom Nabu Deutschland sieht die Jagd kritisch: "Der Waschbär wird schon ewig bejagt, trotzdem hat er sich munter weiterverbreitet." Auch Sterilisation und Kastration der Tiere seien keine Lösung, ebenso wenig die medikamentöse Verhütung. "Das sind nette Ideen, aber sie sind zu aufwendig, um praxistauglich zu sein."

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Naturschutzbund: Renaturierung wichtiger als Jagd

"Die Artenschutzprobleme lassen sich langfristig nicht über die Jagd, sondern nur durch die Renaturierung von Feuchtgebieten und Flüssen lösen", sagt Artenschützer Zahn. Wieder Lebensräume zu schaffen, sei das "A und O". Dabei können sogar andere Tiere helfen: Der Biber befeuchtet Flächen etwa auf ganz natürliche Weise. "Er macht umsonst, was sonst die Wasserwirtschaft für teures Geld tun muss." Laut Zahn ist Bayern durchaus bemüht, die Moore und Flüsse zu renaturieren: "Das Beispiel der weiter abnehmenden Amphibienbestände zeigt jedoch, dass diese Anstrengungen bisher nicht den nötigen Erfolg haben." Zu wenige Flächen werden bislang wieder befeuchtet. Denn die Regierung müsste die Landwirte für die dadurch verlorengehenden Felder kompensieren.

Ist der Lebensraum gestört, könnten die Amphibien "sich wieder besser reproduzieren und Ausfälle besser kompensieren", sagt Heiermann vom Nabu Deutschland. Die Tiere bräuchten vielseitige Lebensräume, um sich ernähren, verstecken und fortpflanzen zu können. "Der Waschbär wird sie trotzdem aufsuchen, aber er wird es dann nicht mehr so leicht haben, sie abzugreifen." Und sowohl die Zorros auf vier Pfoten als auch die Frösche blieben so in der Natur erhalten.

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  • Kangaroo am 10.04.2024 12:09 Uhr / Bewertung:

    Da der Waschbär sich bei uns schon festgesetzt hat, hilft nur der Abschuß um die Bestände zu regulieren. Dieser sieht zwar niedlich aus, ist aber trotzdem ein gefährliches Raubtier.

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