Der Herrenschneider auf dem Königsweg
NÜRNBERG - Mit der „Moshammeroper“ aus Berlin-Neukölln zeigt das Fürther Theater im Kulturforum ein geglücktes Satyrspiel vom Rande der Bussi-Gesellschaft. Das 2007 uraufgeführte Werk hat nur ein Problem – der Protagonist ist out.
Der kleine Yellow-Bildungsweg kann nicht schaden, um dieses raffiniert gedrechselte Stück Musiktheater mit der Realitätsverlustabschreibung in all seinen verästelten Andeutungen zu verstehen. Rudolph Moshammer, die schummrige Kunstlichtgestalt am Rande der Münchner Bussi-Szene, im Mittelpunkt eines Auftragswerkes zum Schlagzeilen-Nachhall. Beim Fürther Gastspiel der Neuköllner Oper (noch heute, 20 Uhr, im Kulturforum) hat das 2007 in Berlin unter großem Aufsehen uraufgeführte Werk nur ein einziges Problem – der Protagonist ist out. „Mosi“, die Skandalfigur, hat den Aufstieg zur Legende nicht geschafft. Da kann selbst das Theater nicht weiterhelfen.
Natürlich wurde die Textvorlage, die Ralph Hammerthaler für den holländischen Komponisten Bruno Nelissen (er war zur Fürther Premiere angereist) schrieb, nicht einfach zur Doku-Soap nach Archiv-Abruf. Der Hauptdarsteller ist zwar ganz wie im richtigen Leben Herrenschneider mit Trend zum Aufschneider, aber er heißt Ludwig. So kann ein wenig Abglanz vom Märchenkönigsweg in die profan bürgerliche Gaga-Gesellschaft schimmern. Die resolute Mama taucht auf, das kläffende Wollknäuel heißt nicht Daisy sondern „Lazy“ und schnalzt schon mal am Gummiband quer über die Bühne. Wahrsagerin und Klatschkolumnistin stimmen den Ton an, der in solchem Ambiente die Musik macht. Zwei Shopping-Damen stülpen ihre Einkaufstüten über die Köpfe und der Ermordete hat vor allem ein Anliegen: „Ich muss den Tod parfümieren“.
Weit mehr als Parfümierung ist die Nelissen-Komposition, die vom Hojotoho-Anklang zum Dreivierteltakt und vom Disco-Feeling zum Instrumental-Rülpser keinerlei Berührungsängste kennt und den Darstellern richtiges Singe-Futter in die Handlung schaufelt. Vergleichbar am ehesten mit dem Kitsch-Projekt von „Dir, immer nur Dir“, für das einst Franz Hummel die Pocket Opera munitionierte. Das 5-Personen-Kammerorchester unter Frank Zacher setzt dieses mitnichten neutönerisch stelzende, sondern flüssig melodiöse Satyrspiel mit Trauerrand pointiert um. So stilsicher wie Hubert Wild in der Hauptrolle ein beachtliches Ensemble anführt.
Entscheidend für den Erfolg ist die Inszenierung des Ex-Nürnbergers Robert Lehmeier, der schon „Angie“ im Berliner U-Bahnhof singen ließ. Der Regisseur setzt Ludwig/Mosi, das Ausstellungsstück, in eine Vitrine und führt den Laufsteg der Eitelkeiten hinüber zum Schaufenster der Ereignisse um Mama, Wauwau und Mörder. Das gelingt in erstaunlich dichter Übertragung der Neuköllner Raumbühne zwischen die Kulturforum–Säulen nah am Publikum. Dieter Stoll
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