Der Herr der Windböen
Es war ein spektakuläres und ganz seltenes Flugmanöver: zum ersten Mal seit 50 Jahren ist wieder ein Flugzeug auf dem Zugspitzplatt gelandet. Wie Pilot Tom Huber und die Zuschauer den Moment der Landung auf Deutschlands höchstem Berg erlebten.
Erwartungsvoll suchen die Blicke der Zuschauer den Himmel ab. Böen treiben grau-weiße Wolkenfetzen über den Himmel, immer wieder bricht die Sonne durch und reflektiert ihr Strahlen im Schnee der umliegenden Gipfel.
Schwierige Wetterverhältnisse. Hinter den Absperrbändern auf dem Zugspitzplatt diskutieren die Schaulustigen. Wird er landen? Wird er nicht?
Dann. Ein quietschgelber Flieger bei den Bergspitzen. Fliegt einmal um den Kessel und steuert auf die improvisierte Landebahn zu. Nicht tief genug. Zieht einen weiteren Kreis. Und noch einen.
Gebannte Stille
Wie eine Ente sieht das stupsnasige Flugzeug mit seinen Kufen aus, klein wie ein Spielzeug. Gebannte Stille, bis auf den Motorenlärm, den der Wind in Richtung Publikum treibt.
Pilot Tom Huber sieht die Menschen nicht. Er konzentriert sich nur auf die Landebahn. Die Windverhältnisse hat ihm seine Hilde gerade noch per Funk durchgegeben. Aber die Entscheidung liegt allein bei ihm. Riskiert er’s?
Ein kurzes Holpern - dann steht die Maschine
Er macht es. Steuert die Landebahn an, setzt die Kufen seiner Savage Classic auf den gleißenden Schnee. Es holpert kurz. Die Maschine steht.
Die Menge klatscht und bewegt sich auf seinen Ultraleichtflieger zu, sofort ist der Pilot von Presse umringt. Tom Huber hat es geschafft. Hat zum ersten Mal seit 50 Jahren ein Flugzeug auf der Zugspitze gelandet.
Hilde, seine Frau, umarmt ihn. Sie ist stolz. Und ein bisschen neidisch. Schließlich ist sie auch Pilotin, aber für eine Aktion wie diese fehlt ihr noch Erfahrung. Nicht so ihrem Mann. Seit 15 Jahren fliegt der 37-Jährige durch die Lüfte, landete in der Sahara und auch in den Dolomiten, ist Fluglehrer und Mitglied der Deutschen Gebirgspiloten Vereinigung.
"Ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit"
„In der Luft bin ich nur mir selbst Rechenschaft schuldig.“, erklärt er seine Leidenschaft, „das ist ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit.“
Trotzdem schlug sein Herz schneller als sonst, als er in der Früh auf einem Flugplatz in Pliening seine Savage herrichtete. Herrliches Frühlingswetter am Boden, eine halbe Stunde später kreiselte er um das windige Platt. „Am schwierigsten war die Entscheidung: Lande ich – oder nicht?“, meint er später.
Die Idee seines Vaters
Kurz nach Hilde gratuliert auch Gerd Maier zu der Landung. „Sie hatten schwierigere Bedingungen als die Burda-Staffel damals“, meint er zu Huber.
Maier kennt sich da aus: Schließlich hat er 1958 aus staunenden Kinderaugen zugesehen, wie die Burda-Staffel ihren Flugtag auf der Zugspitze veranstaltete – angeführt von seinem Papa, Pilot Gerd Maier Senior. Oft durfte er damals mit seinem Vater mitfliegen, mit ihm auf dem vereisten Titisee landen. Die Zugspitz-Aktion allerdings musste er vom sicheren Boden aus betrachten.
Heute ist er als Zeitzeuge eingeladen zur Wiederholung des Stunts, mit dem die Zugspitzbahn das Wintersaison-Finale feiert. Das freut ihn, und ein bisschen stolz macht es ihn auch. Das ganze Spektakel geht schließlich auf die Idee seines Vaters zurück.
Tom Hubers Tochter wird sicher eines Tages auch stolz von dieser Landung erzählen. Heute ist sie allerdings bei der Oma. Mit ihren sechs Wochen ist sie für die Zugspitze noch zu klein.
Laura Kaufmann