Der heilige Georg auf dem OP-Tisch
NÜRNBERG - Bei den Skulpturen- restauratoren des Germanischen Nationalmuseums stimmen Klima und Lagerung, aber es fehlt an Personal
Schwankende Depottemperaturen? Schimmelnde Kunstwerke? Holzwürmer als ungebetene Gäste? Angesichts der Probleme der städtischen Kunstdepots (AZ vom 15. August) wirkt das Germanische Nationalmuseum wie eine reiche Erbtante.
Zum Beispiel die Werkstätte der Skulpturen- und Gemälderestauratoren, die wir als erste von mehreren, verborgen arbeitenden Abteilungen vorstellen: Hell ist es dank der Atelierfenster, die Luftfeuchtigkeit beträgt konstant 50 Prozent, und neueste Technik, die an ein Labor erinnert, erleichtert das Arbeiten.
Wie das Technoskop, durch das Restauratorin Elisabeth Taube feinste Risse, Unebenheiten und Farbdifferenzen erkennen kann. Ein St. Georg aus Lüttich um 1400 liegt wie ein Patient auf dem OP-Tisch darunter. Mindestens zwei Bemalungen, Fassungen genannt, hat er auf dem hölzernen Buckel. Ob eine von ihnen die originale ist, weiß noch niemand zu sagen.
Aber schon jetzt steht fest: So, wie er einst ausgesehen hat, kann man ihn nicht rekonstruieren. „Das ist der Unterschied zwischen einem Kirchen- und einem Museumsrestauratoren“, erklärt Frank Matthias Kammel, Sammlungsleiter der Skulpturen bis 1800: „Der Kirchenmaler entscheidet sich für die wahrscheinlichste Fassung und setzt sie um. Wir wollen ein ehrliches Bild der gealterten Oberfläche zeigen.“
Deshalb kommt es oft vor, dass Laien nicht erkennen, warum an einem Werk so lange restauriert wurde. Dabei stecken die Veränderungen im Detail. Kleine Retuschen, mit leicht wieder entfernbaren Aquarellfarben und Kunstharzen ausgeführt und vor ihrer Umsetzung wissenschaftlich heftig diskutiert, werden vor allem dann vorgenommen, wenn der Ist-Zustand den Gesamteindruck zerstört: „Es ergibt oft ein falsches Bild der Skulptur, wenn die Augen fehlen oder die Oberfläche aussieht, als ob die Figur eine Hautkrankheit hätte“, sagt Taube und verweist auf die noch einzufärbende Hand einer Figur auf einem süddeutschen Reliquiendepositorium.
Auch wenn die Situation im Nationalmuseum kaum mit der der Städtischen Museen vergleichbar ist — ganz so heil, wie sie auf den ersten Blick scheint, ist die Welt auch hier nicht. Sicher: Am GNM muss man nicht zwischen katastrophal und weniger optimal unterscheiden, sondern zwischen Konservieren und Restaurieren. „Wir überprüfen turnusgemäß alle unsere Bestände. Bei uns bröckelt nichts!“, erklärt Kammel.
Aber um die konservierten Kunstwerke auch zu restaurieren, fehlt es an Personal. Oft geschieht dies, wenn Werke für neukonzipierte Dauer- oder Sonderausstellungen gebraucht werden. Die Restaurierung eines Objekts ist zeitintensiv. Etwa ein halbes Jahr sind für den St. Georg veranschlagt — wenn man nur daran arbeiten würde.
Das aber ist zur gelegentlichen Frustration der Restauratoren kaum möglich. „Neben der eigentlichen Arbeit müssen wir jeden Ein- und Ausgang eines Kunstwerkes dokumentieren, für die Versicherung und aus konservatorischen Gründen“, erzählt Taube. „Eine von beiden Aufgaben bleibt immer liegen.“
Hier half vorübergehend eine auf vier Jahre angelegte Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung. Freiberufliche Restauratoren arbeiteten unter der Leitung der Museumsangestellten 21 hochrangige Skulpturen und Gemälde auf, die vom 19. Oktober an in der Ausstellung „Enthüllungen. Restaurierte Kunstwerke von Riemenschneider bis Kremser Schmidt“ gezeigt werden. Danach kommen die Skulpturen in die 2009 wieder eröffnende Schausammlung zur Kunst und Kulturgeschichte von 1500 bis 1800.
21 Objekte von weit über Tausend. Es bleibt viel zu tun, auch im Germanischen Nationalmuseum. Georg Kasch
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