Der „fränkische Taliban“: Wo sind seine Kinder?

Vor eineinhalb Jahren ist die ganze Familie spurlos aus Ansbach verschwunden. Nicht einmal die Großmutter kennt deren Aufenthaltsort. Der Vater des Attentäters hüllt sich in Schweigen.
von  Abendzeitung
Cünyet C. (28): Der Attentäter aus Ansbach war tief in die Islamisten-Szene verstrickt.
Cünyet C. (28): Der Attentäter aus Ansbach war tief in die Islamisten-Szene verstrickt. © dpa

ANSBACH - Vor eineinhalb Jahren ist die ganze Familie spurlos aus Ansbach verschwunden. Nicht einmal die Großmutter kennt deren Aufenthaltsort. Der Vater des Attentäters hüllt sich in Schweigen.

Sechs Wochen nach dem mörderischen SprengstoffAnschlag auf einen Nato-Stützpunkt in Afghanistan (AZ berichtete) haben die deutschen Behörden keinen Zweifel mehr, dass das Attentat von dem aus Ansbach stammenden Deutsch-Türken Cünyet C. (28) verübt wurde. Inzwischen mehren sich auch die Hinweise darauf, dass der Familienvater aus Franken wesentlich stärker in die gewaltbereite Islamisten-Szene verstrickt war, als bisher angenommen.

"Ich bin bereit für meinen eigenen Tod"

Das ARD-Magazin „Report“ zeigte am späten Montagabend ein weiteres Video vom Selbstmordanschlag in der ostafghanischen Provinz, bei dem vier Soldaten getötet und Dutzende andere schwer verletzt wurden. Cünyet C., der von seinem Glaubensbrüdern lächelnd bei den Vorbereitungen gefilmt wurde, wirkt jenseits von Gut und Böse. Mit ruhiger Stimme erklärt er Minuten bevor er sich an das Steuer des mit Tonnen von Sprengstoff beladenen Lastwagens setzt: „Ich bin bereit für meinen eigenen Tod. Wenn ich diesen Knopf drücke, erfüllt mich das ewige Leben im Paradies mit Gottes Belohnungen.“

Auf einem anderen Video, das dem „Spiegel“ zugespielt wurde, verabschiedet sich eine vermummte Person von dem Attentäter. Ist es seine Frau? Möglich wäre es. Sie und die drei Kinder sind gleichzeitig mit Cünyet C. im Frühjahr letzten Jahres spurlos aus Ansbach verschwunden. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass sie dem Familienoberhaupt gefolgt sind. Wo sie sich jedoch seit seinem Tod aufhalten, ist völlig unklar. Die Großmutter der Kinder sagte zur AZ: „Ich habe seit eineinhalb Jahren nichts mehr von meiner Tochter und den Enkeln gehört.“

Cünyet C.’s ebenfalls in Ansbach lebender Vater, der möglicherweise mehr wissen könnte, schweigt. Der Elektronik-Konzern, bei dem er beschäftigt ist, hat ihn vom Dienst freigestellt. Ein Arbeitskollege berichtet, dass der als strenggläubig geltende Vater den Selbstmordanschlag seines Sohnes gut geheißen haben soll. Immerhin hat er ihn auch im Alter von 12 Jahren aus seinem sozialen Umfeld gerissen und ihn drei Jahre lang in der Türkei in einer Koranschule unterrichten lassen. Wurde dort die Grundlage für terroristische Aktivitäten gelegt?

Bereits kurz nach dem Anschlag wurde bekannt, dass Cünyet C. Kontakte zu einer Terroristen-Gruppe im Sauerland unterhielt. Nach „Report“-Erkenntnissen soll Cünyet C. aber auch Beziehungen zu einem Verdächtigen im Umfeld des Bombenanschlags auf eine Synagoge von Djerba (Tunesien) unterhalten haben. Der Rädelsführer des Attentats, bei dem im Frühjahr 2001 auch 14 deutsche Touristen starben, soll zu den engsten Vertrauten von Osama bin Laden gehört haben. Er wartet in Frankreich auf seinen Prozess.

S. Windschall/H.Reister

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