Der Faust greift zur Pfeife
NÜRNBERG - Schöne Bescherung: Mit der Winterzeit naht auch die Theater-Hochsaison. Eine neue Premierenwelle und Star-Gastspiele sind in Nürnberg, Fürth und Erlangen in Vorbereitung.
Dieses Termin-Gedränge hat Tradition: Ehe die Menschheit unterm Christbaum geparkt wird, gibt es im Theater ne schöne Bescherung. In den letzten Wochen des Jahres ballen sich im Großraum Nürnberg in allen Sparten Premieren und außergewöhnliche Gastspiele zum Tableau von (vermeintlichen) Höhepunkten.
SCHAUSPIEL: Großes Schauspieler-Theater kommt aus München: Der begnadete Jens Harzer und die als Film-Gesicht hoch gehandelte Juliane Köhler sind bei „Molières Misanthrop“ vom Staatsschauspiel dabei (9./10.11. in Erlangen), während Brigitte Hobmeier von den Kammerspielen in der Bühnenfassung des Fassbinder-Films „Die Ehe der Maria Braun“ hingebungsvoll die Schygulla gibt (11./12.12.). Die Inszenierung von Thomas Ostermeier, eher RWF-Hommage als Neudeutung, wurde in die Top-Auswahl des Berliner Theatertreffens gewählt. Das wird der Uraufführung, die Nürnbergs Schauspiel im Ka-Li (Premiere: 28.11.) vorbereitet, nicht passieren: Thomas Brussigs „Schiedsrichter Fertig“, Monolog eines Pfeifenmanns. Aber Fußball ist ja in jeder Liga unser Leben und zur Überbrückung zum vorerst fernen „Club-Musical“ mag das für den kleinen Hunger zwischendurch angehen. Der Autor hatte mit „Leben bis Männer“ schon ein Trainer-Solo gedichtet, was im Hubertussaal allerdings in die Abseitsfalle geraten war. Den schwarzen Mann, der so oft ans Telefon gewünscht wird, spielt Thomas Klenk – und der war zuvor immerhin Johann Wolfgang von Goethe Faust. Bereits am 12. November holt das Gostner seine runderneuerte Vorjahres-Produktion „Neue Vahr Süd“ zurück in den Spielplan. Sven Regeners vergnügliches Vorspiel zu „Kleiner Bruder“ (Buch) und „Herr Lehmann“ (Buch/Film) hatte als Stück zum Buch voll eingeschlagen und wird nun an 12 Abenden erneut gezeigt. Weitere Angebote der Kategorie „Dramatisierter Bücherschrank“: Thomas Manns „Die Buddenbrooks“ als Tournee-Konzentrat (18./19.11. in Fürth) und Robert Musils „Törleß“ in 90 Minuten mit dem Jungen Schauspielhaus Hamburg (13. bis 15.11. in Erlangen). Passend zur Faschingszeit bereitet Kay Neumann die Herrenstrip-Komödie „Ladies Night“ (ab 19.12. in der Tafelhalle) vor. Mit dem herzerwärmenden Film „Ganz oder gar nicht“ kann es die nachträglich entstandene Bühnenfassung nicht aufnehmen, aber als Jux für gutgelaunte Schauspieler funktioniert es meistens. Michael Hochstrasser und Frank Damerius führen das Spalier textilabstoßender Männer an. Eigentlich steht beim „Sommernachtstraum“ die Erotik im Mittelpunkt, doch das Erlanger Theater hat sich fest vorgenommen, statt der Intimitäten „das kindliche Element“ zu finden. Muss man wohl, denn das Sieben-Personen-Ensemble spielt (ab 30.11.) im Dezember-Akkord für Zuschauer „ab 8 Jahren“.
OPER: Nicht grade neu, aber durch Umbesetzung wieder interessant ist Verdis „Rigoletto“ (ab 14.11.) am Opernhaus. Eine von nur vier Produktionen, die Intendant Peter Theiler aus dem Nachlass von Vorgänger Konold zulässt. Bariton Mikolaj Zalasinski, Tenor David Yim und Sopranistin Claudia Katharina Braun sind die Neuen. Heidi Elisabeth Meier, die zuletzt die Gilda glänzend sang, klettert derweil auf der Goldkehlchen-Treppe aufwärts. Chefdirigent Christof Prick besetzt sie als Konstanze in Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“, wo (ab 20.12.) auch Tilman Lichdi mit der Partie des Belmonte zulegt und Guido Jentjens als Osmin darauf besteht, ein richtiger Brumm-Bass zu sein. Das etwas andere Opern-Gefühl im Fürther Kulturforum. Dort gastiert aus Neukölln die „moshammeroper“ (20. bis 22.11.), die nach Tönen von Bruno Nelissen ein Phantom der Bussi-Gesellschaft ins Leben zurück holt.
MUSICAL/REVUE: Die Show-Konkurrenz für Cole Porters „Silk Stockings“ (Premiere morgen im Opernhaus) ist groß. Nicht nur durch die Wiederkehr der ebenfalls halbseidig glänzenden „Evita“ (25. bis 28.12. in Fürth). Musikalische Spektakel wie „Irmingard“ der multitalentierten Blechbläser von Mnozil Brass (entstanden für die Salzburger Festspiele, in Fürth vom 11. bis 14.11.) sind bei der Definierung von Entertainment nicht auf den Broadway von gestern angewiesen. Und dann wird Elke Wollmann zur „Piaf“. Die Schauspielerin, die für ihre Jenny der „Dreigroschenoper“ den AZ-Stern des Jahres bekam und als Klytaimnestra der „Orestie“ fasziniert, spielt und singt die Chanson-Ikone (ab 12.12. in der Kongresshalle) – und die Zuhörer werden’s nicht bereuen.
TANZ: Jean Renshaws Märchenballett-Uraufführung „Des Kaisers neue Kleider“ wird im Fürther Theater ab 30.11. in Serie gespielt. Nürnbergs neuer Ballettchef Goyo Montero feiert sein Debüt sicherheitshalber mit einem Duplikat seiner eigenen Kreation „Benditos Malditos“ am 13.12. in der Tafelhalle. Konkurrenz kommt aus dem dortigen Gastspiel-Restprogramm: „La Kitchen“ der Schweizer Compagnie Linga lässt nichts anbrennen (6./7.12.). Die Sonderklasse: Das Stockholmer Cullberg Ballett gastiert vom 4. bis 6.12. im Fürther Theater. Aber da sind Karten Glückssache. Dieter Stoll