Der etwas andere Trainer – Oennings Visionen
Letzte Folge der AZ-Aufstiegsserie: Warum der Club-Coach nie in die Bundesliga wollte – und wie er den Klassenerhalt mit dem FCN schaffen will
NÜRNBERG „Meine Lebensplanung war eine andere. Ich wollte ja nie Bundesliga-Trainer werden. Aber jetzt bin ich einer.“ (Michael Oenning)
Auch wenn seine Lebensplanung also bis vor wenigen Monaten anders aussah: Der Club-Coach hat’s verdient, nun zum erlauchten Kreis jener 18 Männer zu gehören, die den Elite-Kickern in Deutschland Beine machen. Denn zusammen mit Manager Martin Bader und Co-Trainer Peter Hermann hat Oenning den Umkehrschwung geschafft, eine lustlose Chaos-Combo in ein aufstiegswilliges Kampf-Kollektiv zu verwandeln.
Oenning rückblickend: „Ich hatte ja bislang meist nur als Co-Trainer gearbeitet, nie als Profi selbst gespielt. Auf einmal hatte ich Verantwortung für die Mannschaft. Da kommst du schon ins Grübeln. Vor allem, weil ich nach sechs Spielen noch keinen Sieg auf dem Konto hatte.“
Michael Oenning: "Tiefpunkt war das 0:1 gegen Duisburg"
Dies war im Herbst 2008. Im August hatte sich Thomas von Heesen mit den Worten „Ich kann hier nicht weitermachen“, plötzlich verabschiedet. Oenning, zu dessen Gunsten die Entscheidung damals auch aus finanziellen Gründen ausfiel, stand vor einer verunsicherten Mannschaft, in der die Mischung nicht stimmte. Es war kein System zu erkennen und einige, als Leistungsträger eingestufte Profis, entpuppten sich bestenfalls als Mitläufer. „Tiefpunkt war das 0:1 gegen Duisburg“, erinnert sich Oenning. „Das war unterirdisch, was wir da abgeliefert haben. Da dachte ich, so funktioniert’s nicht. Wir müssen etwas ändern.“
Wobei Oenning Wert darauf legt, dass er nicht der alleinige Hellseher im Stab war. Stets nimmt er Bader und Hermann mit ins Boot. Bader, weil er ihm in diesem heißen Herbst, als alles in Frage gestellt wurde, den Rücken freigehalten hat. Hermann, weil er der perfekte „Co“ war. „Ohne Existenzängste, ein absoluter Szenekenner, der schon alles erlebt hatte“, trauert der Chef seinem nach Leverkusen heimgekehrten Assi nach.
Und so setzte Oenning zum großen Schnitt an. Er sortierte Lustlos-Profis wie Marco Engelhardt, Ioannis Masmanidis und Mario Breska aus. Und suchte Ersatz in dem Bereich, in dem er sich als Ex-DFB-Jugendtrainer bestens auskennt. „Wir haben so viele Talente in Deutschland“, sagt Oenning. „Man muss sie nur finden, bekommen und spielen lassen. Bei uns dürfen sie das.“
Dominic Marohs Beförderung war kein Zufall
Und so kamen Dennis Diekmeier, Stefan Reinartz und Marcel Risse. Maroh, Frantz und Bieler waren da schon eingebaut. Endlich hatte der Fußballlehrer die Mischung, die er wollte. Angeführt von den Etablierten wie Pinola, Mintal und Kluge, die plötzlich wie befreit zu alter Form zurück fanden, nahmen die jungen Wilden schnell Fahrt auf.
Wobei es kein Zufall war, dass Oenning einen Dominic Maroh bei den Club-Amateuren fand und ins Profi-Team beförderte. Er hat einfach genauer hingesehen, als andere Cheftrainer vor ihm. „Dominic hat sich bereits wochenlang im Training aufgedrängt.“ Mit Maroh, Frantz und Bieler gewann der Club in Freiburg 2:0 und das Derby gegen Fürth mit 2:1. Letzteres für Oenning im Rückblick, die Wende zum Guten. „Das war die Basis für den Aufstieg.“
„Michael Oenning passt einfach zu dieser Mannschaft“, lautet Baders Erklärung für die hohe Akzeptanz des Trainers beim Team. Vielleicht, weil Oenning nicht ins übliche Schema passt. Der 43-jährige Münsterländer ist Deutschlehrer, spielt gerne Klavier (Spitzname: Chopin) und liest viel. „Ich hätte auch Theaterschauspieler oder Dirigent werden können. Eigentlich ist eine Mannschaft ja auch ein Orchester, das ich lenke", sagt Oenning. Trotzdem will er nicht den Stempel des Intellektuellen bekommen. „Es gibt genug Arbeit auf dem Platz. Mit Büchern brauche ich denen nicht kommen.“
Fernsehpause - dem Club zuliebe
Der zweifache Vater weiß zudem, wie die Medien funktionieren. Seit zehn Jahren arbeitet er für den Bezahlsender Premiere, als Assistent von Marcel Reif. Seine Aufgabe: vorsagen. „Wenn der Reporter nach zehn Minuten meint, ein Spieler sei nichts und später macht der drei Tore, dann kommt das nicht gut an.“ Für Reifs von Oenning unterstützten Kommentar bei der WM 2002 gab es den Grimme-Preis. Hätte der FCN nicht in der Relegation gespielt, wäre Oenning auch zum Champions-League-Finale in Rom geflogen. Geärgert hat ihn die Fernsehpause nicht. Denn „die Aufgabe beim Club ist ungeheuer reizvoll“.
Und letztlich erfolgreich. Und so wird Oenning weiter pendeln müssen. Frau Véronique und die Kinder Falk (10) und Fynn (7) bleiben in Hamburg. Aus verständlichen Gründen. Oenning: „Zum einen kann das in Nürnberg schnell vorbei sein. Zum anderen harmonieren die Schulsysteme in Hamburg und Bayern nicht wirklich miteinander.“
Mit Jonathan Kotzke und Manuel Stiefler ist der Anfang gemacht
In Sachen Bundesliga, wohl die endgültige Feuertaufe für Oenning, hat er keine Bedenken. „Ich vertraue der Aufstiegsmannschaft, halte auch nichts davon, den Jungs, die es geschafft haben, irgendwelche Neuzugänge vor die Nase zu setzen.“ Auch, weil Oenning weiß: „Bewährte Profis, die uns wirklich weiter helfen könnten, kann sich der Verein ohnehin nicht leisten.“ Nachdem allerdings Leihgabe Stefan Reinartz, dem Oenning noch ein Jahr beim Club gewünscht hätte, wohl nicht mehr aus Leverkusen wiederkommt, „muss er natürlich adäquat ersetzt werden“.
Mittelfristig hat Oenning neben einer Bundesliga-Saison ohne Abstiegsängste noch zwei weitere Ziele im Auge. „Nachwuchsförderung! Irgendwann muss ein Drittel des Kaders aus den eigenen Reihen kommen“, so seine Vision. Der Anfang ist gemacht: Mit Jonathan Kotzke und Manuel Stiefler wurden bereits zwei Talente befördert. Und damit es so weiter geht, freut sich Oenning, dass ein Projekt am Valznerweiher endlich Gestalt annimmt. „Das neue Funktionsgebäude ist immens wichtig für die Weiterentwicklung des FCN.“
Perspektivisch denken – im Verbund mit seinen angenehmen Umgangsformen: Ein weiteres Merkmal von Oenning, das ihn von vielen Kollegen wohltuend unterscheidet. Vielleicht ist er gerade deshalb und ungeplant Bundesligatrainer geworden. Und ein Aufstiegsheld. Schon beim ersten Anlauf. ERG
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