„Der Einstieg in den Ausstieg?“
Siemens macht Ministerpräsident Günther Beckstein "großen Kummer!“ Nürnbergs OB Ulrich Maly erfuhr von den Kürzungen "aus der Zeitung". In der AZ spricht Maly über die Konsequenzen für den Standort Nürnberg.
NÜRNBERG/ ERLANGEN Vor einigen Jahren suchten die Siemens-Bosse noch den Kontakt in die Rathäuser der wichtigen Standorte. Das ist vorbei. Nürnbergs OB Ulrich Maly (SPD) hat von der geplanten Entlassungs-Welle erst aus der Zeitung erfahren. Ebenso wie sein Erlanger Kollege Siegfried Balleis (CSU). Schlechter Stil. „Wir sind jetzt eben weiter weg“, klagte Erlangens Sozial-Bürgermeisterin Elisabeth Preuß (FDP), die Balleis gestern vertrat. Als der Erlanger Heinrich von Pierer noch Chef im Konzern war, war das anders. Doch wenn die Konzernberatungen jetzt abgeschlossen sind, werden die Siemens-Chefs in den Rathäusern antreten. Und sich kritischen Fragen stellen müssen.
Auch Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) will sich demnächst mit Konzern-Chef Peter Löscher treffen. „Siemens macht mir natürlich großen Kummer“, sagte er gestern. Denn es ist vor allem Franken, das vom großen Spar-Programm betroffen ist. Beckstein kann sich nicht vorstellen, dass die entlassenen Arbeitnehmer leicht anderweitig unterzubringen seien.
Die AZ sprach mit OB Maly über den Stellenabbau:
AZ: Wie bewerten Sie die Entlassungen?
ULRICH MALY: Die Auftragsbücher von Siemens sind voll. Die Menschen, die jetzt entlassen werden sollen, haben zu tun. Sie sind wichtig im Verkauf, im Marketing und in der Vorbereitung innerbetrieblicher Abläufe. Wenn man auf diese Fachleute verzichtet, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass das ohne Bremsspuren ausgehen wird.
Welche Konsequenzen hat der Stellenabbau für Nürnberg?
Er hat eine Größenordnung, die tief in die Entwicklungskapazitäten reicht. Die Einschnitte in Nürnberg-Moorenbrunn und bei der Medizintechnik in Erlangen sind so gravierend, dass sich schon die Standort-Frage stellt. Es ist zu befürchten, dass dies der Einstieg in den Ausstieg sein könnte.
So wie bei der AEG, als das Nürnberger Werk komplett geschlossen wurde und 1700 Jobs verloren gingen?
Der Fall Siemens ist vielleicht noch giftiger als die AEG. Die Konjunktur ist gut, die Auftragsbücher sind voll und Siemens verdient ordentliches Geld. Der Konzern ist ja kein Krisenunternehmen. Wenn in so einer Situation 16000 Menschen entlassen werden, dann ist das nicht nur eine Katastrophe für die Mitarbeiter. Denn die haben, wenn sie aus dem nichttechnischen Bereich kommen, keine guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Entlassungen sind zudem auch ein weiterer Beitrag dazu, das Vertrauen der Menschen in die soziale Marktwirtschaft zu erschüttern. Das Verhalten der Siemens-Spitze beschleunigt diesen Erosionsprozess. mir