Der braune Elefant von Marlene Dietrich
NÜRNBERG - Gar nicht sperrig: „Reisebegleiter“, die Schau im Germanischen über die Geschichte des Koffers
Gerade jetzt sind sie der Albtraum aller Ordnungshüter: die herrenlosen Koffer. Der Gedanke, dass solche in großer Zahl im Germanischen Nationalmuseums stehen, sollte sie aber nicht weiter beunruhigen. Auch wenn tatsächlich ein Koffer mit unbekanntem Inhalt darunter ist. Er gehört zu den rund 200 Stücken, mit denen ab heute in der Sonderschau „Reisebegleiter“ die bislang kaum wissenschaftlich erforschte Kulturgeschichte des Koffers von 1750 bis heute beleuchtet wird. Eine sperrige Angelegenheit? Keineswegs.
Pistolen im Taschenformat
Mit kuriosen Objekten und viel Promi-Bagage erzählt der Beitrag des Germanischen zum Eisenbahn-Jubiläum bis 1. Mai 2011 auf sehr unterhaltsame Weise die Geschichte des Koffers und viele „Koffer-Geschichten“. Struwwelpeter-Vater Heinrich Hoffmann nahm den Verlust seines Koffers auf der Bahnfahrt an den Genfer See–wie auf einer Reiseskizze von ihm zu sehen ist–beispielsweise mit Humor. Vielleicht hatte er ja eine Gepäckversicherung – ein Thema, das die Ausstellung und der begleitende Band (25 Euro) auch streifen.
Die Sorge ums Gepäck plagte Reisende nicht erst in Zeiten öffentlicher Verkehrsmittel. Ihre Versicherung war aber eine andere: Pistolen im Taschenformat zum Schutz vor oder bei Überfällen auf die Kutsche. Schließlich wäre bei einem solchen mehr weg gewesen als nur Hemd und Hose. Wie das „Prunkstück“ der Schau, das Reisenecessaire eines Domherrn, zeigt, umfasste damals schon das Notwendigste, das Mann um 1800 mit auf die Reise nahm, gut 200 Einzelteile – darunter auch die Spargelzange und die eigene Minibar: der Flaschenkeller mit Likör und Wein.
Koffer mit doppeltem Boden
Soweit ging Film-Diva Marlene Dietrich nicht. Aber das Nötigste füllte auch bei ihr schon mal bis zu 80 teure Koffer. Einer davon steht im Germanischen, ein brauner Schrankkoffer, den die Dietrich ihren „Elefanten“ nannte. Viel bescheidener waren diese Promis unterwegs: Hermann Löns mit Rucksack, Thomas Mann mit dem Koffer seiner Schwiegermutter, Hans Albers mit Pullman-Koffer und Hildegard Knef mit einem unscheinbaren Handkoffer. Samt Hut darin hat sie ihn vor dem Berliner Technikmuseum abgestellt – für dessen Sammlung. Solche und viele weitere Geschichten erfährt man von den „Reisebegleitern“, die von bunt bemalten, hölzernen Gesindetruhen bis zum leichtgewichtigen Rollkoffer reichen, vom Hemdenkoffer eines Grafen bis zum Spionenkoffer mit doppeltem Boden. Ein Geheimnis wird allerdings erst am 10. April 2011 gelüftet: Was sich im Koffer aus dem Fundbüro der Deutschen Bahn verbirgt. Zusammen mit anderen vergessenen Stücken wird er an diesem Tag im Museum versteigert.
Ute Maucher
- Themen:
- Deutsche Bahn AG
- Thomas Mann