Der berühmteste Gerichtssaal der Welt als Museum

Nach eineinhalb Jahren Umbau findet heute erstmals wieder ein Mordprozess im historischen Sitzungssaal 600 des Nürnberger Justizpalastes statt. Besucher können bald von oben zuschauen
NÜRNBERG Im Ostflügel des Nürnberger Justizpalastes befindet sich der berühmteste Sitzungssaal der Welt. Hier wurde der Prozess gegen die Nazi-Größen des Dritten Reichs geführt. Hier wurde Rechts-Geschichte geschrieben. Ab November soll der Saal mit der Nummer 600 Teil des Museum-Projekts „Memorium Nürnberger Prozesse“ sein. Die AZ warf einen exklusiven Blick hinter die Kulissen.
Die Arbeiten des knapp fünf Millionen Euro teuren Projekts laufen noch auf vollen Touren. Die Museumsräume (750 Quadratmeter) unter dem Dach, in dem der Verlauf der Hauptkriegsverbrecher- Prozesse durch Fotos und Exponate wie der damals verwendeten Anklagebank dokumentiert werden soll, haben bereits Form angenommen. Eine beeindruckende Konstruktion hält das Dach.
Komplett renoviert ist bereits der Sitzungssaal. Viel hat sich nicht geändert. Abgesehen von vier großen Fenstern, die in luftiger Höhe über den Zuschauerbänken eingebaut wurden. Von hier aus können Besucher des Museums bei ihrem Rundgang im Dachgeschoss einmal einen Blick in den Gerichtssaal werfen, in dem heute Mördern und Totschlägern der Prozess gemacht wird.
Aussschluss der Öffentlichkeit auf Knopfdruck
Eine Einschränkung gibt es allerdings. Wenn der Richter in einem gerade laufenden Prozess die Öffentlichkeit ausschließen will, drückt er einfach auf einen Knopf. Dann strömt zwischen die neu eingebauten Fensterscheiben ein spezielles Gas, das wie ein blickdichter Vorhang wirkt. Mit dem Ausblick in den Sitzungssaal ist es dann auch für Museums-Besucher vorbei. Das kommt etwa dann in Frage, wenn Kinder als Zeugen aussagen oder Opfer geschützt werden müssen.
Eineinhalb Jahre lang war der gesamte Ostbau wegen der Bauarbeiten für die Öffentlichkeit geschlossen. Ab Donnerstag ist wenigstens der Zugang zum Sitzungssaal 600 wieder möglich. Eine junge Frau (26) aus Erlangen, die ihre Freundin Jessica ermordet haben soll, ist die erste Angeklagte in der neuen, historischen Umgebung.
Kulturreferentin Julia Lehner (CSU) freut sich schon auf das Museum. Erstmals entstehe eine umfassende Dokumentation zum Verlauf der Hauptkriegsverbrecher-Prozesse und deren internationale Bedeutung, sagte sie anlässlich einer Baustellen-Besichtigung.
Ein wesentlicher Teil des Museums werden einmalige Fotos von Ray D’Addario sein. Der damals 25-jährige US-Soldat war bei den Prozessen der offizielle Armee-Fotograf. In den 1990er Jahren erwarb das Stadtarchiv seine Aufnahmen.
Mit der Eröffnung des Museums dürfte auch ein echtes Ärgernis aus dem Weg geräumt sein. Geschichtsbewusste Besucher der Stadt, die mitunter von weit her angereist waren und auch einen Blick in den berühmten Sitzungssaal werfen wollten, standen in der Vergangenheit nur allzu oft vor verschlossener Tür.
Helmut Reister