Der Ausstieg aus dem Alltag ist ohne Risiko zu haben

Regen im Park, Frieden am Zeppelinfeld: So entspannt war „Rock im Park" wohl noch nie – so spannungsarm auch nicht.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Da weiß man schlagartig, wo das Wort „Luft-Gitarre“ herkommt: Ein gegen Nässe vorbildlich verpackter Besucher des „Rock im Park“-Treibens rund ums Zeppelinfeld hat noch genügend Energie für große Sprünge.
Berny Meyer Da weiß man schlagartig, wo das Wort „Luft-Gitarre“ herkommt: Ein gegen Nässe vorbildlich verpackter Besucher des „Rock im Park“-Treibens rund ums Zeppelinfeld hat noch genügend Energie für große Sprünge.

NÜRNBERG - Regen im Park, Frieden am Zeppelinfeld: So entspannt war „Rock im Park" wohl noch nie – so spannungsarm auch nicht.

Die fünfzehn Festival-Besucher jubeln. Schweißnass glänzen ihre Gesichter, sie strahlen. Die Band, The Jetlegs, ist genauso glücklich und verschwitzt. Es ist Rock im Park, der Platzhirsch unter den deutschen Open Airs, und was sich hier am Freitagabend im Innenhof der Kongresshalle abgespielt hat, dürfte es nicht geben.

Nicht, wenn es nach dem örtlichen Veranstalter ArgoKonzerte ginge. Ein paar Künstler haben auf dem von ihnen angemieteten Gelände als Kunst-Projekt ein Gratis-Festival mit fünf Bands organisiert als „Rock am Parkplatz“. Urban Research Institute steht über dem Container, in den das Konzert verbannt wurde - der Rock im Park-Sicherheitsdienst wollte es so. Und welcher schmächtige Kunst-Dozent legt sich schon mit den Bomber-Jacken-Männern an? Es ist ein ungleicher Kampf. Die Gratis-Kunst-Freunde gegen Limp Bizkit auf der Hauptbühne des Festivals mit fast 65 000 zahlenden Besuchern.

Für 135 Euro wollen die Besucher Action. Und die kriegen sie: Drei Tage lang Overkill, Partyzone, Ballermann, drei riesige Bühnen, Stars, Dauerbeschallung von mittags bis nach Mitternacht. „Rock im Park“ ist das Fest der Festivals. Längst gibt nicht mehr die Musik den Ton an, die ist nur noch Nebensache. Gefeiert wird so oder so. Egal, ob die Sonne scheint oder es regnet. Und Tiefdruckgebiete, meteorologische wie musikalische, waren heuer nicht zu umgehen. Alkohol, absurde Kopfbedeckungen, Gummistiefel, noch mehr Alkohol, Regenponchos, T-Shirt-Parade (siehe unsere Bildergalerie unten), Schlamm, Urin, Grölen, Feiern, Flirten – alles verschwimmt zum großen Ganzen, zu Rock im Park. Die Festivalfans nehmen sich Urlaub, nur um von Donnerstag bis Sonntag den Alltag hinter sich zu lassen und zu Parkrockern zu werden. Da mutiert der Banker zur Wildsau. Ganz ohne Risiko – der Ausstieg auf Zeit ist meisterlich organisiert. Und 2009 so friedlich wie noch nie: Sieben Körperverletzungen und drei Raubdelikte listet die Polizei auf.

Und wer selber rocken will, kann das tun: Der Stand einer Video-Spiele-Firma ist umlagert, junge Menschen tun mit einem Plastik-Gerät in der Hand so, als wären sie eine Band und spielen nach den Vorgaben der Konsole den Südstaaten-Klassiker „Sweet Home Alabama“. Da interessieren die echten Bands nur am Rande. Wer knackt den Highscore? Ein Festival der Imitation.

Eine Imitation, die, wie jedes Jahr, trotz zehntausender Besucher vollkommen friedlich ist. Die Polizei ist zwar präsent, hält sich aber zurück. Besucher und die Männer in Uniformen lachen zusammen. „Rock im Park“ ist ein großes Miteinander, ein amüsantes „Wir-stehen-alle-im-gleichen-Dreck".

Da stehen sie auch, als die Killers spielen oder Marilyn Manson oder Limp Bizkit und jubeln. Ein paar haben schweißnasse Gesichter, sie strahlen. Die 15 Aktivisten im Innenhof bei den Gratis-Künstlern sowieso. Rock’n’Roll war mal, wenn man’s trotzdem macht.

Martin Mai

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.