Demjanjuk: Wie viele hat er noch auf dem Gewissen?
MÜNCHEN/WEIDEN Seine Strafe sitzt er im Voralpenland ab: Im Mai wurde der frühere KZ-Wachmann John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an 28 000 Menschen verurteilt – er blieb in Bayern, lebt jetzt wegen seines Alters und seiner Gesundheit in einem Pflegeheim in Bad Feilnbach (Kreis Rosenheim). Die himmlische Ruhe am Alpenrand sollte der 91-Jährige genießen – sie könnte bald vorbei sein.
Die Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz untersucht gerade, ob Demjanjuk für den Tod von fast 5000 weiteren KZ-Häftlingen mitverantwortlich ist. Weitere Tote! Wie viele hat Demjanjuk noch auf dem Gewissen?
Das Ermittlungsverfahren laufe bereits, sagte Weidens Oberstaatsanwalt Gerhard Heindl dem Berliner „Tagesspiegel”. Und weiter: „Es gibt einen Anfangsverdacht aufgrund einer Anzeige.”
Die Vorwürfe: Demjanjuk und ein weiterer KZ-Wachmann namens Alex N. sollen sich von Oktober 1943 bis Dezember 1944 an der Ermordung von 4974 Menschen im Konzentrationslager Flossenbürg bei Weiden beteiligt haben. Dort schufteten Gefangene der SS bis zum Tod in Steinbrüchen, Ziegeleien und Lehmgruben. Ein reines Vernichtungslager wie Auschwitz, in denen vor allem Juden in Gaskammern starben, war Flossenbürg nicht.
Die Anzeige stammt von zwei Juristen, die schon im Münchner Prozess gegen Demjanjuk Schlüsselfiguren waren. Zum einen von Thomas Walther, der früher bei der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg war und den Fall Demjanjuk als Erster entdeckte. Zudem habe der Kölner Strafrechtsprofessor Cornelius Nestler, der Organisator der Nebenklage im Prozess in München, Anzeige gegen Demjanjuk erstattet. Sie wollen dem Nazi-Schergen keine Ruhe gönnen, bis all seine grausamen Verbrechen aufgeklärt sind.
Die Anzeige stammt aus dem Monat Mai – damals ging sie bei der Staatsanwaltschaft München ein, von wo sie nach Weiden weitergeleitet wurde. Von der Staatsanwaltschaft selbst und vom Oberlandesgericht Nürnberg waren am Sonntag keine weiteren Auskünfte zu erhalten.
Laut der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg soll es sich um ein Modellverfahren handeln, um künftig auch KZ-Wachleute außerhalb von Vernichtungslagern strafrechtlich verfolgen zu können. tg
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