Dem Handwerk geht’s gut – bloß besser wär besser
München - Gewiss, 102,9 Milliarden Euro sind schon viel Geld. Aber im Vergleich zum Vorjahr halt nur anderthalb Prozent mehr. Zieht man die Preissteigerung ab, bleiben 0,3 Prozent. Und schon wirken die Milliarden recht klein.
„Trotz der sehr ordentlichen Zahlen bleibt das Handwerk gemessen an der Umsatzentwicklung deutlich hinter der Gesamtwirtschaft zurück“, sagt Georg Schlagbauer. „Wir müssen versuchen, unseren Wirtschaftsbereich wieder näher heranzubringen.“ Schlagbauer ist Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Er hat jetzt Bilanz fürs Jahr 2015 gezogen.
Die Zahlen, die der Münchner Metzger und CSU-Politiker im Stadtrat verkünden darf, sind gut: 102,9 Milliarden Euro Umsatz in ganz Bayern, davon 35,4 Milliarden Euro in Oberbayern. Knapp 90 Prozent der Betriebe sind Umfragen zufolge zufrieden mit dem vergangenen Geschäftsjahr – und erwarten auch 2016 positive Ergebnisse. Bis zu zwei Prozent könne man wachsen, so die Prognosen.
Große Investitionen – aber auch zu viele unbesetzte Lehrstellen
Dazu sagt Schlagbauer: „Das bayerische Handwerk ist in guter Verfassung“. Er gehen davon aus, dass sich in den nächsten Monaten weder die ausgezeichnete Kauflaune der Verbraucher noch die gute Beschäftigungslage und die niedringen Zinsen sonderlich verändern werden. „Davon dürfte unser Wirtschaftszweig verstärkt profitieren.“
Tatsächlich melden die meisten Betriebe eine gute Auftragslage, knapp die Hälfte gibt sogar an, komplett ausgebucht zu sein. Die rund 202 500 Handwerksbetriebe in Bayern haben 2015 und 880 Millionen Euro investiert, sagt Schlagbauer. Das entspreche einem Zuwachs von 3,5 Prozent. In Oberbayern investierten die Handwerksbetriebe rund 280 Millionen Euro. Das sei ein Plus von 3,7 Prozent. Die Investitionen würden demnach stärker wachsen als der Umsatz. Dies sei möglich, weil es dem Handwerk eben gerade recht gut gehe.
Bloß: Besser wäre besser. Und das gilt nicht nur beim Umsatz. „Aktuell sind in Bayern rund 5500 Lehrstellen unbesetzt“, sagt Georg Schlagbauer. Allein in München und Oberbayern seien es rund 1900 freie Stellen.
Dem Gewerbe fehlen die Fachkräfte. Man werde deshalb verstärkt werben und rekrutierten. Eine Zielgruppe: Flüchtlinge. Rund 500 stünden derzeit in Oberbayern in einem Ausbildungsverhältnis. Eine weitere Zielgruppe: Abiturienten und Realschulabsolventen. Seit Jahren kämpft das Handwerk gegen „die zunehmende Akademisierung“, wie Schlagbauer es nennt. Damit ist gemeint: Wer kann, studiert. Man wolle mehr Jugendliche von den Chancen einer Ausbildung überzeugen.
Außerdem kritisiert Schlagbauer die Politik: Die Pläne zur Erbschaftssteuer würden kleine Betriebe bei der Übergabe gefährden. „Die Politik stellt die falschen Weichen“, sagt Schlagbauer. Und: Investitionen in die Infrastruktur, seien es Straßen, Schienen oder Internetanschlüsse, würden zu lange aufgeschoben.
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