Deichkind versenken in Erlangen das Abendland
ERLANGEN - Hamburgs HipHop-Spinner zelebrierten ihr Dada-Musical in der Heinrich-Lades-Halle.
Das muss der Untergang des Abendlandes sein: Acht erwachsene Männer in Müllsäcken mit neonfarbenen Klebestreifen, auf den Häuptern pyramidenförmige Hüte, gefertigt aus rhythmisch pulsierenden Leuchtdioden, krabbeln aus einem riesigen Maulwurfshügel. Zu ohrenbetäubenden Schlägen und sägenden elektronischen Klängen verrenken sie sich, brüllen sinnentleerte, subversive Parolen. Sie installieren eine Maschine, an der meterlange Schläuche hängen, und verspritzen Dutzende Liter Alkohol. Sie springen im Takt auf Trampolinen und Hüpfburgen, bauen Bürostühle unter Schlauchboote und rollen damit um den Maulwurfshügel. Und 2000 entfesselte junge Menschen in der Erlanger Heinrich-Lades-Halle vergessen sich.
Der Untergang des Abendlandes, gewiss. Das Prächtigste, was Entertainment-Deutschland zu bieten hat. Die einzig mögliche Antwort auf Fragen rund um Wirtschaftskrise, Bildungsnotstand und Existenz-Minimum. Deichkind!
„Arbeit nervt!“, „Krawall und Remmidemmi“, „Dicker Bauch“, „Ich betäube mich“, „Prost“, „Krieg“: Ein Dada-Musical über den digitalen Steinzeit-Eskapismus beim „Aufstand im Schlaraffenland“. Mit ihren letzten beiden Alben haben die Hamburger HipHop-Spinner ein Watschen gebendes, pumpendes Hybrid-Monster aus Kerwa-Techno, Highend-Electro und Punk-Spirit zusammengeschraubt, das Scooter genauso geil findet wie die Spex-Postille. Dazu das Universum aus Maulwurfshügeln, Hüpfburgen und Saufmaschinen als Paradies fürs akademische Prekariat.
Der Untergang des Abendlandes, endlich.
Steffen Windschall
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