„Das wollen wir haben!“
NÜRNBERG - Wilfried Appelt, Lehrer aus Leinburg, über die Lust, Kunst zu sammeln und dafür Urlaub und Sparbriefe zu opfern. Und den Frust, dass kein hiesiges Museum die Kollektion will
Auch bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ am heutigen Samstag (18 bis 1 Uhr) taucht diese Ausstellung auf. Schließlich zeigt Wilfried Appelt in der „Zentrifuge“-Halle „Auf AEG“ auch „historische Rechenmaschinen“. Diese Leidenschaft mag bei einem gerade pensionierten Mathematik- und Physik-Lehrer jedenfalls weniger verwundern als das lustbetonte Anhäufen zeitgenössischer Kunst. Dem kam das Ehepaar Appelt mit erstaunlichen Ergebnissen nach. In 20 Jahren investiertes es ihr „gesamtes Vermögen“ in über 1000 Exponate von Angermann, Peter bis Zitta, Reiner. Es ist ein Streifzug durch den heimischen Kunst-Kosmos, wie eine Auswahl unter dem Titel „Astronauten zur Venus“ belegt.
AZ: Herr Appelt, beim Umfang der Kollektion kommt man ins Grübeln, ob Lehrer vielleicht zu gut bezahlt sind heutzutage. Oder gehören Sie zur Generation Erben?
WILFRIED APPELT: Weder noch. In meiner Familie regierte eher die erzgebirglerische Häulser-Mentalität. Und was das Geld angeht: Unsere Urlaube hängen an der Wand! Wenn Sie für 600 Euro eine Graphik kaufen, das sehen Sie nicht, aber dafür können Sie schon eine Woche wegfliegen.
Haben Sie sich in Ihrem Leben dann einschränken müssen?
Nein. Aber ich habe ein Auto, das ist jetzt 17 Jahre alt und braucht leider schon mehr Öl als Benzin. Meine Frau hat, als wir 1980 von Tirschenreuth nach Nürnberg zogen, ihren Beruf als Chemikerin aufgegeben und gesagt: Ein Verdienst muss uns genügen. Wir haben sehr sparsam gehaushaltet. Keine Reisen, keine Wirtshausbesuche. Dadurch ist Monat für Monat schon viel hängengeblieben. Ganz gereicht für die Kunst hat es nicht. Mit der Zeit wurden dann auch die ganzen Sparbriefe aufgezehrt. Durch den Tod meiner Frau hat man aber gesehen, dass alles ruckzuck weg sein kann, und was dann von dir bleibt, ist nur die Idee. In unserer Sammlung stecken wohl drei Häuser.
Ist das Herzeigen der Sammlung dann auch Aufforderung zum Nachmachen?
Dazu fühlten wir uns nicht gesandt.
Man schließt ja nicht sofort auf eine Seelenverwandtschaft zwischen einem Rechenkünstler und bildenden Künstlern.
Sicher. Und auch in meinem 60-köpfigen Lehrerkollegium folgten nur zwei Kollegen meinen Einladungen zur Kunst. Die Kunsterzieher waren es nicht. Das ist schon ein Spiegel für das Kulturleben draußen. Und die intellektuelle Vorbildung ist ja nicht unbedingt das Entscheidende.
Gab es für Sie ein Schlüsselerlebnis, den Urknall des Sammelfiebers?
Durchaus. In der Kunst war das die imponierende Zeichnung „Federballspiel“ von Peter Angermann. Die Arbeit formuliert etwas, was wir nachvollziehen können, was wir selber nicht könnten – das wollen wir daheim haben!
Was gibt Ihnen die Begegnung mit Kunst?
Die Begegnung mit Menschen. Zu sehen, wie ein ganz anderes Lebenskonzept läuft – das ist prickelnd. Den Bann in der Beziehung hat der Nürnberger Maler Franz Vornberger gebrochen. Da hatten wir gerade in einer „Kreis“-Ausstellung im Kunsthaus drei Werke gekauft und dann kam dieses kleine Manderl auf uns zu, stellte sich vor und lud uns ins Atelier ein. Uns war unbehaglich. Worüber wird man da reden? Aber da sahen wir, wie viel das den Künstlern auch gibt.
Ist die Ausrichtung auf Regionales dann auch Konzept?
...weil man die Künstler auch erreichen kann? Schon. Aber es kamen dann natürlich irgendwann die Freunde der Freunde dazu.
Sehr systematisch haben Sie ja nicht gesammelt – von Kevin Coyne bis Minimalistischem ist alles dabei.
Wenn’s ein Konzept sein muss, ist es zumindest sehr ungewöhnlich, sehr weit. Aber Koller haben wir nicht, nur ganz frühe Aquarelle.
Nimmt die Kaufsucht ab?
Nein. Nur die finanzielle Situation hat sich jetzt durch meine Pensionierung und mein Alleinsein geändert.
Was soll denn mal mit der Sammlung passieren? Ans Neue Museum gehen oder an die Fränkische Galerie?
Ja – eindeutig. Aber die Erfahrung zeigt: Es will ja niemand. Wenn man es realistisch sieht: Etwas zu übernehmen, mit der einigermaßen verbindlichen Bitte, die Sammlung zu präsentieren und nicht im Keller verschwinden zu lassen – das kostet Geld. Da bin ich einigermaßen ernüchtert.
Interview: Andreas Radlmaier
Zentrifuge auf AEG (Muggenhofer Str. 135: bis 22. November, Mi-Fr 16-20 Uhr; So 14-18 Uhr
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