Das Schafott zum Fahrstuhl
NÜRNBERG - Bravourös: Schorsch Kameruns Goldene Zitronen in der Nürnberger Desi
Gegen die dramatisch ansteigenden Zumutungen selbst gewählter Dummheit hierzulande gibt es keine bessere Medizin als eine anarchisch-orgiastische Vorweihnachtsfeier mit der selbstironischsten aller Hamburger Punk-Vorzeige-Band, den Goldenen Zitronen. Erwartungsgemäß platzte die Nürnberger Desi aus allen Nähten, als die Zitronen mit dem glänzend aufgelegten Sänger Schorsch Kamerun mit ihrem Spezialmix bravourös klar machten, dass sie auch im 25. Jahr ihres Bestehens nichts von ihrem beißenden Witz und ihrer tumulthaften Spielkunst eingebüßt haben.
Wer Übersichtlichkeit, Ordnung und ruhigen Fluss sucht, der findet bei den Goldenen Zitronen nach wie vor flächendeckend das Gegenteil. Insbesondere auch bei den neuen Liedern ihrer aktuellen CD „Die Entstehung der Nacht". Aber bei den dem Song „Angst und Bange" vom 2001er Album „Schafott zum Fahrstuhl" verblüffen die Zitronen Sekunde um Sekunde mehr durch saftiges Chaos, ständige Positionswechsel und saure Kritik gegen den sauren Regen so mancher medialer Gehirnwäsche. Als bissige Kritiker unserer bizarren spätkapitalistischen Verhältnisse wissen sie sehr gut, dass es „keine Mahlzeit gibt, die keinen Preis" hat, dass (fast) alles dem Regime des Marktes untergeordnet ist - und deshalb skandiert man: „Ich wollte immer woanders sein, da wo ihr nicht seid." schneller als bei den Zitronen ändert sich auf der Bühne und in der Musik wohl selten etwas. Punk, Disco, Jazz – alles blitzt auf wie in manisch auf- und abtauchenden Pop-Up-Fenstern. Wenn eine deutsche Band etwas vom Geist Frank Zappas und seinen Mothers of Invention ins 21. Jahrhundert gerettet hat, dann sind es die Meisterschmuggler von den Goldenen Zitronen. Spark
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