Das Problem mit dem Abbau der Atomkraftwerken

Am Samstag geht nach Isar 1 mit Grafenrheinfeld ein zweites AKW in Bayern vom Netz. Doch wie geht es weiter?
von  Verena Lehner / Lokales
Am Wochenende wird das AKW Grafenrheinfeld vom Netz.
Am Wochenende wird das AKW Grafenrheinfeld vom Netz. © dpa

Mit Grafenrheinfeld geht nach Isar 1 am Wochenende  noch ein bayerisches AKW vom Netz

Vier Jahre ist es her, dass das Kernkraftwerk Isar 1 in Ohu bei Landshut abgeschaltet wurde. Im März 2011 hat der Betreiber Eon auf Anordnung des Bayerischen Umweltministeriums die Anlage vom Netz genommen. Seitdem ist in dem Reaktorblock nicht sonderlich viel passiert. Der Abbau steht kurz bevor, Eon hat bereits entsprechende Pläne vorgelegt – doch die sind aktuell wieder stark in der Kritik.

Es ist ein Gutachten, das von der Grünen-Landtagsfraktion in Auftrag gegeben wurde, das den Isar-1-Abbruch wieder einmal zum Diskussionsthema werden lässt – und das zwei Tage, bevor in Bayern das nächste Atomkraftwerk vom Netz gehen soll.

Das Gutachten: Bei dem Gutachten handelt es sich um eine Stellungnahme des Physikers Wolfgang Neumann von der der Beratungsfirma Intac aus Hannover. Laut dem Gutachten befinden sich derzeit 1734 Brennelemente und 44 defekte Sonderbrennstäbe im Brennelemente-Lagerbecken von Isar 1. Weiter heißt es, dass das geplante Vorgehen zum Abbau von Isar 1 nicht den international üblichen Standards entspricht.

Die Grünen fordern: Keine Genehmigung für Isar-1-Abbruch

Der Experte fordert deshalb: Der Rückbau sollte erst dann beginnen, wenn alle Kernbrennstoffe aus der Anlage entfernt worden sind. Eon will allerdings mit dem Abriss der Anlage beginnen, bevor das Abklingbecken geräumt ist.

Die Grünen haben gestern an das bayerische Umweltministerium appelliert, keine Genehmigung für einen Abbau des stillgelegten Atomkraftwerks zu erteilen, solange die abgebrannten Brennelemente noch nicht entsorgt wurden. Das sei sowohl mit Rücksicht auf die Beschäftigten wie auch der Bevölkerung nicht zu verantworten, betonten die Grünen-Abgeordneten Rosi Steinberger und Martin Stümpfig gestern in München. Auf die Frage, warum man diese Eile an den Tag lege, habe man von Eon keine plausible Antwort erhalten, sagte Stümpfig.

Erst 2020 sind alle Brennstäbe aus Isar 1 abtransportiert

Das Abklingbecken befinde sich in einer „besonders exponierten Lage“ außerhalb des Sicherheitsbehälters, heißt es in Neumanns Bericht. Außer durch einen Flugzeugabsturz sei das Lager auch durch Angriffe mit panzerbrechenden Infanteriewaffen oder Sprengstoff „verwundbar“. Eon rechnet angeblich damit, dass die Brennstäbe aus Isar I erst bis 2020 abtransportiert sein können.

Das AKW Grafenrheinfeld: Der Abbruch von Isar 1 in Niederbayern wird den Freistaat somit noch einige Zeit beschäftigen. In Unterfranken könnte sich ein ähnliches Szenario bald wiederholen. Momentan zieht noch der Wasserdampf in dicken weißen Wolken aus den zwei mächtigen Kühltürmen in den Himmel. Doch in der Nacht zum Sonntag verliert der Ort Grafenrheinfeld dieses Erkennungsmerkmal. Das älteste noch aktive Atomkraftwerk Deutschlands geht vom Netz und läutet die zweite Phase des 2011 beschlossenen deutschen Atomausstiegs ein.

Abbruch-Phase eins für Grafenrheinfeld soll 2018 beginnen

Der Betreiber, auch hier ist es Eon, hat einen direkten Rückbau bereits beantragt. Das bedeutet allerdings nicht, dass nach einer Genehmigung sofort abgerissen wird.

So ist der Grafenrheinfeld-Abbau geplant: Zunächst müssen die sehr heißen Brennelemente herunterkühlen. Das kann drei bis fünf Jahre dauern. Der Rückbau geschieht in zwei Phasen. Phase eins soll 2018 beginnen und umfasst den teilweisen Abbau der Anlagen in allen Gebäuden. Frei von Brennelementen soll das AKW bis Ende 2020 sein. Dann beginnt Phase zwei, zu der auch die Demontage des Reaktordruckbehälters gehört. Zum Schluss, etwa im Jahr 2028, werden die Gebäude abgerissen. Etwa ein bis zwei Prozent des bei einem Rückbau anfallenden Abfalls muss Eon zufolge als radioaktiver Abfall entsorgt werden. Das werden in Grafenrheinfeld rund 3500 Tonnen sein. Bis 2030 verspricht Eon die grüne Wiese, die das Gelände in den 1970er-Jahren war. Der Rückbau soll 1,2 Milliarden Euro kosten. Die Folgen für den Ort: Wirtschaftlich ist die Gemeinde längst nicht mehr vom Kraftwerk abhängig. Zahlreiche Firmen haben sich im Gewerbegebiet angesiedelt. Auf die 3500 Einwohner kommen rund 1200 Arbeitsplätze, gut 300 davon im AKW. „Grafenrheinfeld definiert sich nicht nur durch das Atomkraftwerk“, sagt Bürgermeisterin Lutz. Dennoch bleibt es auch in Zukunft ein Thema im Ort und der Umgebung. Denn der Rückbau wird noch viele Jahre dauern, und das Zwischenlager für den radioaktiven Müll hat eine Betriebserlaubnis bis 2046. ver, rm

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