"Das Kind war eiskalt": Prozess um ausgesetztes Baby

Der Fall machte 2018 Schlagzeilen: ein neugeborener Junge, allein zurückgelassen in einer Hecke. Die Mutter zunächst unauffindbar. Jetzt wird der Frau der Prozess gemacht.
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Gerichtsgebäude für das Amtsgericht, das Landgericht I und II, das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft. Foto: Sven Hoppe/Archiv
dpa Gerichtsgebäude für das Amtsgericht, das Landgericht I und II, das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft. Foto: Sven Hoppe/Archiv

München (dpa/lby) - "Mir ist fast das Herz stehengeblieben", sagt die Frau, die dem kleinen Elias Justus wahrscheinlich das Leben gerettet hat. Sie fand ihn im August 2018 in einer Vorgarten-Hecke. "Das Kind war einfach eiskalt."

Am Dienstag hat vor dem Landgericht München I der Prozess um das ausgesetzte Baby begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft einer 27 Jahre alten Frau aus Gießen versuchten Mord vor. Sie soll das Kind im August 2018 in einem Vorgarten im Münchner Stadtteil Neuperlach zur Welt gebracht, die Nabelschnur durchgebissen und den kleinen Jungen dort in einer Hecke liegen gelassen haben.

Als er gefunden wurde, hatte der Säugling nur noch eine Körpertemperatur von knapp 26 Grad, Knochenbrüche und innere Blutungen. Nach Gerichtsangaben geht es dem Jungen inzwischen wieder gut.

"Er lag dort auf der bloßen Erde, ohne Decke", sagt die Zeugin und man merkt ihr an, wie nah ihr dieser Anblick auch heute noch geht. "Mir läuft's jetzt noch eiskalt den Rücken runter."

Ihre Emotionen stehen im krassen Gegensatz zur anscheinenden Teilnahmslosigkeit der Angeklagten. Hatte sie noch gezittert und geweint, als sie den Saal im Blitzlichtgewitter der Kameras betrat, wird sie im Laufe der Verhandlung bemerkenswert ruhig, wirkt fast entspannt.

Zu den heftigen Vorwürfen will sie - zumindest zunächst - schweigen. Zu ihren persönlichen Verhältnissen (zweimal verheiratet, ein weiteres Kind, großer Fußball-Fan) äußert sie sich dagegen ausführlich. Allerdings gestaltet sich das schwierig, weil die Angeklagte gehörlos ist und alles, was im Gerichtssaal gesagt wird, von einer Gebärdendolmetscherin übersetzt werden muss.

Der Fall hatte im vergangenen Jahr nicht nur wegen seiner Tragik, sondern auch wegen einer gewissen Kuriosität Schlagzeilen gemacht. Denn laut Anklage hatte die Frau in der Nacht unmittelbar vor der Geburt einen One-Night-Stand mit einer Internetbekanntschaft. Für das erste Treffen mit ihm war sie hochschwanger von Hessen nach Bayern gereist. Der Mann will allerdings nichts von der bevorstehenden Niederkunft und der Geburt im Vorgarten gemerkt haben. Auch er soll in dem Prozess noch als Zeuge vernommen werden.

Nach der Geburt, so steht es in der Anklage, soll die Frau stark blutend wieder in die Wohnung des Mannes zurückgekehrt sein. Er habe sie dann zum Bahnhof gebracht, weil sie angegeben habe, in ihrer hessischen Heimat ein Krankenhaus aufsuchen zu wollen. Statt in eine Klinik zu gehen, soll sie dann aber abends ein Grillfest in Hanau besucht haben. Über ihren kleinen Sohn verlor sie der Anklage zufolge kein Wort.

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