„Das dient keinewegs als Symbol für Unwucht“

NÜRNBERG -Nürnbergs Museum Industriekultur wird 20 Jahre alt. Chef Matthias Murko spricht über Wandel, Depot- und Ausdehnungspläne
Streng genommen könnte das Museum Industriekultur mit sprunghaften Jubiläen aufwarten. Und nach seinem 20. Geburtstag in diesen Tagen (s. unten) 2009 sein 30-Jähriges feiern. 1979 nahm das vom damaligen Kulturreferenten Hermann Glaser initiierte Centrum Industriekultur seine Sammelarbeit auf, 1988 – drei Jahre nach dem Eisenbahnjahr – kam die Halle im alten Walzwerk als Spielort hinzu. Ausgebaut wurde das Museum erst zum Stadtjubiläum 2000. Die Landesausstellung 2006 brachte den letzten Modernisierungsschub.
AZ: Herr Murko, 20 Jahre sind ja kein richtig runder Geburtstag. Läuft es für Ihr Haus auch unrund?
MATTHIAS MURKO: Im Gegenteil. Mit der neuen Museumseinheit zum Strukturwandel ist die Museumsstraße zu einem vorläufigen Ende gebracht. Da ist eine sehr attraktive, überaus vielschichtige Museumseinheit entstanden. Daran haben wir acht Jahre gearbeitet. Bisher endete die Museumsstraße eher unbefriedigend in den 60er Jahren. Kurzum: 20 Jahre können da keineswegs als Symbol für eine Unwucht dienen.
Das Museum ist Zeitleiste Nürnberger Industrie-Krisen.
Es ist Wandel, kein Abgesang. Nürnberg ist nicht mehr das industrielle Herz Bayerns, aber der Mittelpunkt der Metropolregion, Zentrum mit höher qualifzierten Arbeitsplätzen. Diesen Wandel gab es zu Zeiten des „Adlers“ auch. Insofern schließt sich der Kreis.
Wenn jetzt alles fertig ist, können Sie ja in Pension gehen.
Ja, wenn man nicht etliche Museumseinheiten modernisieren müsste. Außerdem gehört zu den langfristigen Perspektiven ja die Erweiterung auf das riesengroße Gelände südlich des Museums.
Den alarmierenden Zustand der Depots sieht der Stadtrat, aber er verweigerte grünes Licht für eine große Lösung.
Auf diesem Südgelände wäre ein gemeinsames Zentraldepot mit Graphischer Sammlung und Spielzeugmuseum ein wichtiger Baustein. Wir gefährden gerade Sammlungsgut. Aufgrund der finanziellen Situation müssen wir Zwischenlösungen finden. Die werden in der Kongresshalle angedacht. Das heißt nicht, die längerfristigen Planungen damit auszuhebeln.
Muss also Ihr finanziell notorisch unterversorgtes Haus weiter mit dem wenig schmeichelhaften Etikett „Rumpfmuseum“ leben?
Der Begriff stammt aus den ersten zehn bis 15 Jahren. Ab 1988 wurde die Museumsstraße nur vorne bespielt, im hinteren Bereich gab es aufwändigste Ausstellungsinszensierungen. Das ist vorbei. Also würde ich das mit dem „Rumpfmuseum“ brüsk zurückweisen.
ARD-Maus, Dinosaurier und Terrakotta-Kopien besserten vor allem die Besucherstatistik auf. Wie wollen Sie das Museum im öffentlichen Bewusstsein halten?
Auch wieder nur provisorisch. Natürlich sind Zelte außerhalb wie bei den Terrakotta-Kriegern möglich. Aber ich versuche erst mal, im Museum von Fall zu Fall Raum für gute Ausstellungen zu schaffen. Nur für Riesenprojekte wie die Landesausstellung ist da kein Platz. Eine große Wechselausstellungshalle wäre ein weiterer Baustein.
Sie sind also mit den Besucherzahlen zufrieden?
Vor 15 Jahren waren es 15000 im Jahr, jetzt sind es zwischen 40000 und 60000. Als Level ohne Sonderschauen ist dies in meinen Augen sehr zufriedenstellend.
Welche Rolle spielen dann Sonderausstellungen für Sie?
Eine ganz große. Ohne Sonderschauen ist es für jedes Museum in Nürnberg schwierig, im Gespräch zu bleiben.
Welche Probleme muss denn der neue Generaldirektor Matthias Henkel ab Januar Ihrer Meinung nach lösen?
Ich wünsche mir, dass er in die Zukunftsplanungen mit einsteigt. Ich halte ihn da auch für den geeigneten Mann. Interview: Andreas Radlmaier