Das bizarre Sex-Leben des Rollstuhl-Opas
Werner S. (77) ist ein Gefangener seiner absonderlichen Gefühle. Der unter Mordanklage stehende Rentner ist ausschließlich auf Nylonstrümpfe fixiert
NÜRNBERG Körperlich ein Wrack, psychisch gestört, kriminell schwer vorbelastet – und jetzt im hohen Alter von 77 Jahren auch noch unter Mordanklage: Tiefer als Werner S., der vor 32 Jahren eine Rentnerin (86) aus Schwabach vergewaltigt und erwürgt haben soll, kann man kaum fallen.
Wirklich überraschend ist diese Entwicklung nicht. Der an den Rollstuhl gefesselte und schwer lungenkranke Mann fiel schon seit seiner Jugendzeit immer wieder durch sein bizarres Sexualverhalten auf. Mehrfach wurde er deswegen auch in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt.
Rechtsanwalt Jürgen Lubojanski, der den derzeit vor dem Landgericht stehenden Mordverdächtigen vertritt, will nicht ausschließen, dass eine schwere Kriegsverletzung seinen ohnehin angeschlagenen Mandanten psychisch noch stärker traumatisiert hat. Im Korea-Krieg (1950 bis 1953) zerfetzte eine explodierende Granate eine Gesichtshälfte von Werner S. Mit einer Serie von Operationen konnten die Ärzte die Verletzungen so geschickt behandeln, dass heute kaum noch etwas zu erkennen ist.
Die Amerikaner verwiesen ihn des Landes
Für den Kriegseinsatz hatte sich Werner S. 1951 freiwillig gemeldet. Rückblickend lässt sich vermuten, dass er dadurch unter Beweis stellen wollte, ein richtiger Amerikaner zu sein. Als er zwei Jahre alt war, siedelten seine Eltern (der Vater war US-Bürger, seine Mutter eine Nürnbergerin) in die USA über. In den folgenden Jahren begann für den Jungen wegen seiner deutschen Abstammung eine Art Spießrutenlauf. Die Anfeindungen, aus dem Land der Nazis zu stammen, waren so groß, dass die Eltern seinen Vornamen in Warren umbenannten.
Nach seiner Rückkehr aus dem Korea-Krieg entwickelte sich Werner S. zu einem Ganoven. Er klaute (1954), verübte Einbrüche (1960), wurde zum Vergewaltiger (1969) und landete erst im Gefängnis, dann in der Psychiatrie. In den Vernehmungen waren nämlich seine absonderlichen sexuellen Neigungen offenkundig geworden. Werner S. war ausschließlich auf Nylonstrümpfe von Damen fixiert und so in seiner Gefühlswelt verstrickt, dass normale sexuelle Kontakte nicht möglich waren.
Die Amerikaner verwiesen ihn nach einer mehrjährigen Haftstrafe des Landes. Werner S. kehrte 1976 nach Nürnberg zurück. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits eine tickende Zeitbombe. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er bereits ein Jahr später die Schwabacher Rentnerin Anna S. aus sexuellen Motiven heraus umgebracht hat. Erst im vergangenen Jahr wurde er von der Kripo als mutmaßlicher Täter präsentiert.
Unbehelligt blieb Werner S. nach dem Mord aber nicht. 1979 und 1985 missbrauchte er unter Einsatz erheblicher Gewalt zwei Frauen und landete wegen seiner sexuellen Störung wieder in der Psychiatrie. Frei kam er trotzdem immer wieder, beschränkte sich danach aber auf eher kleinere Diebstähle. Zuletzt lebte er im Landkreis Roth. Von seiner schlimmen Vergangenheit ahnten die Nachbarn nichts. Erst als er unter Mordverdacht verhaftet wurde, sprach sie sich herum.
Helmut Reister
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