"Dammbruch" und "Zäsur": Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze geht auf Merz los

"Das ist nichts, was man sehen will, aber ich gehöre nicht zu denen, die gleich den Untergang der Brandmauer sehen", sagt Politik-Professorin Ursula Münch der AZ angesichts einer jubelnden AfD-Fraktion im Bundestag am Mittwochabend.
Aus ihrer Sicht sei es richtig gewesen, dass Merz bei entsprechender Außenwirkung deutlich gemacht habe, dass seine Flüchtlingspolitik eine völlig andere als die von Angela Merkel ist. "Nur so kann man unzufriedene Wähler zurückgewinnen", sagt Münch.
Am Freitag wird's interessant
Dennoch findet sie, Merz habe sich verkalkuliert. Denn die Klausel gegen die AfD in dem Antrag habe nicht dazu geführt, dass die AfD sich enthalte. Münch zieht zudem die Grenze zwischen dem Antrag von Mittwoch, der lediglich ein Bekenntnis sei, und dem Beschluss an diesem Freitag, bei dem es um einen Gesetzesantrag gehe: "Das ist noch mal eine andere Qualität!"
"Ein billiger Wahlkampf-Stunt"
Das sieht Ronja Endres, Vorsitzende der Bayern-SPD, komplett anders: "Das ist einfach so unnötig gewesen!" Sie verweist darauf, dass die SPD die strengste Migrationspolitik seit "sehr langer Zeit" mache, zumal weitere Maßnahmen teils von der Union im Bundesrat verhindert worden seien. "Da ging es denen nicht um die Sache", sagt Endres der AZ. Ihr Vorwurf an Merz sei, dass gut integrierte und arbeitende Menschen mit afghanischem Hintergrund sich nun Sorgen machten – "das ist einfach nicht durchdacht und ein billiger Wahlkampf-Stunt!"
Die FDP hat mit wenigen Abweichungen mit der Union und der AfD für Merz' Antrag gestimmt. Martin Hagen, FDP-Vorsitzender in Bayern und Spitzenkandidat für die Wahl, ist sich nicht sicher, ob es klug war, den Antrag zu stellen: "Das müssen Friedrich Merz und die CDU entscheiden."
Die FDP habe sich angeschlossen, weil sie den Inhalt des Antrags teile: "Ich halte das Signal für wichtig! Wir brauchen ganz dringend eine Begrenzung der irregulären Einwanderung", sagt Hagen der AZ.
Hagen warnt vor künftigen Koalitionen
In der Ampel-Regierung habe die FDP dies umsetzen wollen, sei aber an SPD und Grünen gescheitert. Hagen hat daher die Sorge, dass trotz Merz' Antrag keine Änderung kommen werde, sollte die Union die Bundestagswahl gewinnen: "Ich befürchte, dass das mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün nicht umgesetzt wird in der nächsten Legislaturperiode."
Katharina Schulze, Bayerns Grünen-Fraktionschefin im Landtag, hat sich in einem Brief an die Fraktionschefs von CSU, Freien Wähler und SPD gewandt und fordert dazu auf, es "besser als auf Bundesebene" zu machen. Ihre Vorschläge sind unter anderem, die asylrechtliche Durchsetzung zu vereinfachen und psychische Erkrankungen bei Geflüchteten in den Ankerzentren zu screenen, wie es andere Bundesländer bereits tun.
Sie spricht von einer "Zäsur", die im Bundestag stattgefunden habe: "Der Dammbruch ist erfolgt." Sie frage sich, was aus der Christlich Sozialen Union geworden sei, wenn selbst die Kirchen vor der Anbiederung bei Rechtsextremen warnten.