"Dammbruch" und "Zäsur": Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze geht auf Merz los

Tabubruch oder demokratischer Usus: Die Meinungen über Friedrich Merz' Antrag zur Migration im Bundestag gehen auseinander. Die AZ hat Politiker und Experten in Bayern gefragt.
Heidi Geyer |
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Katharina Schulze zeigt Merz den erhobenen Zeigefinger.
Katharina Schulze zeigt Merz den erhobenen Zeigefinger. © picture alliance/dpa

"Das ist nichts, was man sehen will, aber ich gehöre nicht zu denen, die gleich den Untergang der Brandmauer sehen", sagt Politik-Professorin Ursula Münch der AZ angesichts einer jubelnden AfD-Fraktion im Bundestag am Mittwochabend.

Aus ihrer Sicht sei es richtig gewesen, dass Merz bei entsprechender Außenwirkung deutlich gemacht habe, dass seine Flüchtlingspolitik eine völlig andere als die von Angela Merkel ist. "Nur so kann man unzufriedene Wähler zurückgewinnen", sagt Münch.

Am Freitag wird's interessant

Dennoch findet sie, Merz habe sich verkalkuliert. Denn die Klausel gegen die AfD in dem Antrag habe nicht dazu geführt, dass die AfD sich enthalte. Münch zieht zudem die Grenze zwischen dem Antrag von Mittwoch, der lediglich ein Bekenntnis sei, und dem Beschluss an diesem Freitag, bei dem es um einen Gesetzesantrag gehe: "Das ist noch mal eine andere Qualität!"

"Ein billiger Wahlkampf-Stunt"

Das sieht Ronja Endres, Vorsitzende der Bayern-SPD, komplett anders: "Das ist einfach so unnötig gewesen!" Sie verweist darauf, dass die SPD die strengste Migrationspolitik seit "sehr langer Zeit" mache, zumal weitere Maßnahmen teils von der Union im Bundesrat verhindert worden seien. "Da ging es denen nicht um die Sache", sagt Endres der AZ. Ihr Vorwurf an Merz sei, dass gut integrierte und arbeitende Menschen mit afghanischem Hintergrund sich nun Sorgen machten – "das ist einfach nicht durchdacht und ein billiger Wahlkampf-Stunt!"

Die FDP hat mit wenigen Abweichungen mit der Union und der AfD für Merz' Antrag gestimmt. Martin Hagen, FDP-Vorsitzender in Bayern und Spitzenkandidat für die Wahl, ist sich nicht sicher, ob es klug war, den Antrag zu stellen: "Das müssen Friedrich Merz und die CDU entscheiden."

Die FDP habe sich angeschlossen, weil sie den Inhalt des Antrags teile: "Ich halte das Signal für wichtig! Wir brauchen ganz dringend eine Begrenzung der irregulären Einwanderung", sagt Hagen der AZ.

Hagen warnt vor künftigen Koalitionen

In der Ampel-Regierung habe die FDP dies umsetzen wollen, sei aber an SPD und Grünen gescheitert. Hagen hat daher die Sorge, dass trotz Merz' Antrag keine Änderung kommen werde, sollte die Union die Bundestagswahl gewinnen: "Ich befürchte, dass das mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün nicht umgesetzt wird in der nächsten Legislaturperiode."

Katharina Schulze, Bayerns Grünen-Fraktionschefin im Landtag, hat sich in einem Brief an die Fraktionschefs von CSU, Freien Wähler und SPD gewandt und fordert dazu auf, es "besser als auf Bundesebene" zu machen. Ihre Vorschläge sind unter anderem, die asylrechtliche Durchsetzung zu vereinfachen und psychische Erkrankungen bei Geflüchteten in den Ankerzentren zu screenen, wie es andere Bundesländer bereits tun.

Sie spricht von einer "Zäsur", die im Bundestag stattgefunden habe: "Der Dammbruch ist erfolgt." Sie frage sich, was aus der Christlich Sozialen Union geworden sei, wenn selbst die Kirchen vor der Anbiederung bei Rechtsextremen warnten.

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51 Kommentare
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  • Bayern69 am 01.02.2025 13:04 Uhr / Bewertung:

    In der Februar-Ausgabe der CICERO gibt es einen sehr guten Artikel zu den Grünen. Dort wird dargestellt, wie die grüne Partei die Gesellschaft im weitesten Sinne zerstört, aber auch wie sich selbst zerstören. Kurzum: Es handelt sich um hochmütige Moralisten, die ihr eigenes Wohlergehen in den Mittelpunkt stellen und sich von der Außenwelt abgekoppelt haben. Es wird Zeit, dass diese Ideologie in der Mottenkiste verschwindet. Woke ist seit Trump auch tot. Ich freue mich bereits auf die Ergebnisse der BT-Wahl.

  • FRUSTI13 am 31.01.2025 12:18 Uhr / Bewertung:

    Mir stellt sich die Frage, wie lange das funktionieren soll, kann, eine Partei die im Bundestag und vielen Landesparlamenten sitzt, die 20%+ der Wähler vertritt, politisch auszugrenzen und um diese rumzuregieren? Diese 20%+ werden sich in ihrem Demokratieverständnis betrogen fühlen. Es gibt Parteienforscher die voraussagen, dass wir, wenn sich die anderen Parteien nicht‘s Besseres einfallen lassen, als ihre bisherige Strategie, wir in 4 Jahren einen AfD Kanzler haben werden. Und das gilt es zu verhindern!

  • Der Biberax am 31.01.2025 11:47 Uhr / Bewertung:

    Kleines Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, die AfD fängt an Anträge aus dem Programm der CDU/CSU zu stellen, von denen sie weiss, dass RotGrün sie sicher durchfallen lassen wird. Einen nach dem anderen. Wenn die "Brandmauer" dann halten soll, dann muss die Union in Reihe gegen Anträge stimmen, die ihr wichtig sind und die tatsächlich mehrheitsfähig sind (auch wenn "nur" mit den Stimmen der AfD). Dies alleine zeigt, was für ein Irrsinn diese "Brandmauer" ist.
    Auch wenn ich die AfD nicht mag: die AfD ist eine zugelassene Partei und wurde legitim in den Bundestag gewählt. Sie künstlich mit einer "Brandmauer" vom Parlament auszuschließen und die Stimme ihrer Wähler praktisch für ungültig zu erklären, das hat mit Demokratie nichts mehr zu tun.

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