„Da stockt einem der Atem“
Horst Seehofer und Christine Haderthauer verdanken ihren Fahrern ihr Leben. In speziellen Trainings werden sie auf solche Fälle vorbereitet. Der Geisterfahrer ist in der Psychiatrie.
Das geht einem noch lange nach“, sagt Christine Haderthauer zur AZ. Die Ministerin wäre wie ihr Chef Horst Seehofer um ein Haar einem Geisterfahrer zum Opfer gefallen (AZ berichtete) „Ich habe mein Leben der guten Reaktion meines Fahrers zu verdanken“, sagt Haderthauer der AZ.
Es war am vergangenen Samstag auf der A 9: Seehofer ist mit seinem BMW 750 li auf dem Weg von Berlin zurück nach München, zufällig überholt er Christine Haderthauer, die mit ihrem Dienst-Audi A 8 nach München fährt. Seehofer hat 200 Stundenkilometer drauf, Haderthauer ist langsamer. Seehofers Auto, dahinter der Wagen mit seinen Peronenschützern, ein dritter Wagen und danach Haderthauer fahren auf der linken Spur, als der Geisterfahrer plötzlich angerast kommt (siehe Grafik rechts).
Wie durch ein Wunder können die Fahrer aller drei Autos auf die freie Mittelspur ausweichen. Haderthauer erinnert sich, dass sie zufällig aufblickte, als der Wagen ihnen entgegenkommt. „Da stockt einem der Atem“, sagt sie. Ihr Fahrer reißt das Lenkrad rum. „Man reagiert ganz intuitiv“, erzählt er später der AZ. Regelmäßig nimmt er an Sicherheitstrainings teil, die auch für Polizisten gemacht werden und übt mit Reaktionstests den Ernstfall, der jetzt eingetreten ist. „Die Fahrer haben super reagiert“, sagt Dieter Henkel, Leiter vom Fahrsicherheitszentrum München, das diese Trainings veranstaltet. „Bei Tempo 200 bewegt sich das Auto 60 Meter pro Sekunde, als Fahrer hast du nur Sekundenbruchteile Zeit, zu reagieren.“ Ein solch gepanzerter Wagen wiegt 4 Tonnen, fährt sich ganz anders als ein normales Auto. „Bei unserem Tempo hätte es von einer auf die andere Sekunde vorbei sein können“, sagte Seehofer später.
Noch ist unklar, ob der Geisterfahrer sich und seine Freundin wirklich töten wollte. Der 49-Jährige stammt aus einem Dorf in der Nähe von Eichstätt. Zunächst war er mit seiner Freundin in die richtige Richtung, nach Süden, gefahren. Bei Pierheim stellte er sich auf den Pannenstreifen und stritt mit seiner Freundin – dann wendete er mitten auf der Autobahn und fuhr nach Norden. „Bei dem Auto war die Warnblinkanlage an“, sagt Haderthauer. Womöglich hat seine Beifahrerin den Warnknopf gedrückt.
„Der Impuls aus einem Streit heraus reicht nicht, um sich und andere zu gefährden. Da muss vorher schon mehr passiert sein“, sagt der Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino. Inzwischen ist der Fahrer in der Psychiatrie. Angeblich ist er Epileptiker.
Gleich nach dem Vorfall hatte Seehofer eine SMS an Haderthauer geschrieben: „Denk bitte an diesen Vorfall, wenn dich wieder einmal eine Mücke am Arm kratzt.“ Inzwischen haben Haderthauer und Seehofer auch persönlich darüber gesprochen. „Es dauert eine Weile, bis das sackt, bis man sich klarmacht, wie viel Glück wir hatten“, sagt die Ministerin.
Dass Seehofer 200 Sachen drauf hatte, ist nicht ungewöhnlich – die Richtgeschwindigkeit von 130 zählt im Alltag der Spitzenpolitiker nicht, sie hetzen oft noch schneller von Termin zu Termin. Nach AZ-Informationen war auf dem betreffenden Abschnitt kein Tempolimit.
Mulmig wird ihr noch immer, sagt Haderthauer, wenn sie an die Sache denkt. Aber ins Auto steigt die Ministerin trotzdem jeden Tag – bis zu 10000 Kilometer legt sie im Monat zurück. „Ich habe keine Angst vor dem Autofahren. Ich denke, so etwas ist schicksalhaft, es kann immer was passieren.“bö, rah, ta