CSU verschärft Gefährder-Gesetz: Knast für alle?
München – "Wir sind eine offene Gesellschaft, aber zum Schutz der Gesellschaft braucht es einen starken Staat", meint Innenminister Joachim Herrmann von der CSU. Und weiter: "Es ist unsere Aufgabe, rechtzeitig der Polizei das notwendige Rüstzeug an die Hand zu geben. Wenn wir eine potenzielle Gefahr erkennen, müssen wir handeln."
Hinter dieser scheinbar harmlosen – und sehr nachvollziehbaren - Aussage steckt ein gigantischer Änderungskatalog für das Polizeiaufgabengesetz (PAG), der umgangssprachlich unter dem Begriff "Gefährder-Gesetz" zusammengefasst wurde. Die Änderungen wurden am Mittwoch mit den Stimmen der CSU-Fraktion beschlossen, die SPD und die Freien Wähler enthielten sich und die Grünen votierten dagegen.
Das Gefährder-Gesetz im Detail
Bislang ist im Umgang mit sogenannten Gefährdern immer eine "konkrete Gefahr" nötig, damit die Polizei drastische Maßnahmen wie beispielsweise eine Überwachung oder vorübergehende Inhaftierung der Person durchführen kann. Die Gesetzesnovelle führt nun den neu von der CSU eingeführten, nicht genauer definierten Tatbestand der "drohenden Gefahr" ein, der unterhalb der "konkreten Gefahr" angesiedelt ist und künftig die Grundlage für alle weiterführenden Maßnahmen bietet.
Wer – aus welchem Grund auch immer – als Gefährder klassifiziert wurde, von dem eine "drohende Gefahr" ausgeht, verliert zahlreiche Grundrechte. So kann er ohne sein Wissen abgehört werden, die Polizei darf also Handygespräche, WhatsApp, Skype & Co. mitschneiden. Er darf eine elektronische Fußfessel verpasst bekommen, die Alarm schlägt, wenn er vorab definierte Sperrbereiche betritt oder verlässt. Und er kann vorsorglich in Haft genommen werden – theoretisch sogar unendlich lang.
Dafür wurde Artikel 20 Nummer 3 des Polizeiaufgabengesetzes Bayern geändert. Bislang hieß es dort: "In der richterlichen Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen; sie darf nicht mehr als zwei Wochen betragen." Dies wurde geändert zu: "In der richterlichen Entscheidung ist die Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen. Sie darf nicht mehr als drei Monate betragen und kann jeweils um längstens drei Monate verlängert werden." Eine an anderer Stelle von der CSU so vehement geforderte Obergrenze sieht diese prophylaktische Inhaftierung nicht vor. Theoretisch kann ein Richter die Haft also beliebig oft um jeweils bis zu drei Monate verlängern - und das völlig ohne Anklage, Prozess oder Urteil.
Auch wenn die CSU im Zusammenhang mit dem Gefährder-Gesetz immer wieder über Terroristen oder Extremisten spricht, tauchen diese Begriffe in den konkreten Gesetzesänderungen nicht auf. Das Gefährder-Gesetz kann somit auf jede beliebige Person im Freistaat angewendet werden. Dass sich angesichts dessen, wozu die Polizei so ermächtigt wurde, bei der Opposition kaum Protest regte, ist bemerkenswert.
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