CSU-Mehrheit ist weg

Nach 43 Jahren ist die CSU-Alleinherrschaft in einem der schwärzesten Landkreis Bayerns beendet
Verena Lehner / Lokales |
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Nach 43 Jahren ist die CSU-Alleinherrschaft in einem der schwärzesten Landkreis Bayerns beendet.

Im niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen ist gestern das eingetreten, was die einen befürchtet und die anderen erhofft haben: Die CSU hat bei der wegen Wahl-manipulationen notwendig gewordenen Kreistags-Nachwahl (AZ berichtete) ihre Mehrheit nach Sitzen verloren. Das heißt: Nach 43 Jahren Alleinherrschaft müssen die Schwarzen sich nun für ihre Entscheidungen nicht nur die eigenen (Partei-)freunde ins Boot holen, sondern auch die anderen. Für den Landkreis, der als einer der schwärzeste Landkreise Bayerns gilt, bricht eine neue Ära an.

Die neue Ausgangssituation: Nach der Wahl im März vergangenen Jahres hatte die CSU noch 31 der insgesamt 60 Sitze im Kreistag – eine knappe Mehrheit. Die Neuwahlen nach dem Wahlskandal brachten nun folgendes Ergebnis: 28 Sitze gehen an die CSU, die restlichen Sitze verteilen sich auf Freie Wähler (13 Sitze), SPD (sieben), ÖDP (sieben), FDP (drei) und Grüne (zwei) – der bunteste Kreistag, den Straubing-Bogen jemals hatte.

Wahl mit Außenwirkung: Die Nachwahlen am Sonntag wurden nicht nur im Landkreis Straubing-Bogen mit Spannung erwartet, sondern auch über die Landkreis-Grenzen hinaus. Schließlich waren sie die Folge eines Wahlskandals, den es so in Bayern nicht alle Tage gibt. Gut 400 Stimmen von Erntehelfern eines Spargelbaubetriebes in der Stadt Geiselhöring gingen bei der Wahl im vergangenen März unberechtigterweise an die CSU. Das machte nicht nur die Bürgermeister- und Stadtratswahl in Geiselhöring, sondern auch die komplette Kreistagswahl im Landkreis Straubing-Bogen ungültig. Die große Frage war also, welche Folgen das wohl für die CSU haben wird und wie sehr sie unter dem Wahlskandal, der von Leuten aus ihren eigenen Reihen verursacht wurde, leiden würde.

Folgen für die CSU: Im Vergleich dazu, welche Wellen der Wahlskandal geschlagen hat, ist die CSU – betrachtet man nur das Ergebnis – mit einem blauen Auge davongekommen. Der Verlust von drei Mandaten im Kreistag ist das, was viele – auch die CSU selbst – erwartet haben. Im Vorfeld gingen einige sogar davon aus, dass ihnen die Nachwahl vier Sitze kosten könnte.

Die große Überraschung: Trotzdem dürfte so manchen Schwarzen das schlechte Abschneiden bei der Kreistagswahl, die erst gestern Vormittag ausgezählt wurde, überrascht haben. Denn die Bürgermeisterwahl in Geiselhöring am Sonntag hatte die Hoffnung geschürt, dass der Wähler der CSU den Skandal nicht so sehr nachträgt, wie vielleicht befürchtet: CSU-Kandidat Herbert Lichtinger gewann die Wahl mit über 60 Prozent deutlich vor seinem Kontrahenten von den Freien Wählern, Bernhard Krempl (AZ berichtete) – unerwartet.

Die Reaktionen: Dass er die Bürgermeisterwahl so deutlich gegen die CSU verloren hat, war ein Schock für Bernhard Krempl: „Das ist bitter. Denn es war ja so, dass ich eigentlich Bürgermeister gewesen wäre vor diesem Wahlbetrug.“ CSU-Landrat Josef Laumer sagt zum Verlust der CSU-Sitze: „Der allgemeine Verdacht gegen die CSU hat wohl eine Rolle gespielt.“

Die Wahlbeteiligung: Die Wähler im Landkreis Straubing-Bogen sind nicht gerade fleißig ihrer Bürgerpflicht nachgegangen: Die Wahlbeteiligung lag bei rund 44 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Wahl im vergangenen Jahr waren es noch 66 Prozent. Ob die Bürger nur Wahl- oder CSU-müde waren, bleibt offen. 

Ein Kommentar über den Fall der CSU in der Provinz von AZ-Redakteurin Verena Lehner:
Ein Gradmesser
Was kümmert’s den Rest von Bayern, was die da im Landkreis Straubing-Bogen wählen? Eine berechtigte Frage. Und doch haben die Wahlmanipulationen rund um die Erntehelfer eines Spargelbauern und die dadurch notwendig gewordenen Nachwahlen weit über die Grenzen des besagten Spargellandes für Aufsehen gesorgt – mit Recht! Denn diese Wahl ist ein Gradmesser dafür, wie weit die CSU in Bayern noch gehen kann, bis der Wähler sie abstraft.

Der Verlust von drei Sitzen hört sich im ersten Moment nach einem kleinen Übel an, das die Schwarzen gut wegstecken können. Doch diese drei Sitze kosten der CSU die Mehrheit in einem Kreistag, den sie seit über 43 Jahren dominieren. Der Landkreis Straubing-Bogen ist seit der Gebietsreform ein Garant für gute CSU-Ergebnisse – sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und Bundesebene. Das brachte ihm den Ruf ein, einer der schwärzesten Landkreise im Freistaat zu sein. Damit scheint es nun vorbei zu sein.

Im Landkreis Straubing-Bogen beginnt eine neue Ära. Der Kreistag ist bunter, die Diskussionen werden es (hoffentlich) auch. Was das jetzt mit dem Rest von Bayern zu tun hat? Ganz einfach: Wenn sich der Wähler in einem der schwärzesten Landkreise Bayerns von der CSU nicht mehr alles gefallen lässt, ist es gut möglich, dass das im Rest von Bayern nicht anders sein wird. 2018 sind wieder Landtagswahlen – die CSU hat schon jetzt so einiges an Affären beieinander. Drei Jahre können lang sein – wer weiß, was bis dahin noch alles passiert.

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