Interview

CSU-General Martin Huber: "Ich fühle mich nicht als zweite Wahl"

Anfang Mai wird Martin Huber überraschend Generalsekretär der CSU, weil sein Vorgänger nach kurzer Zeit zurücktritt. Ein Gespräch über konservative Werte, Wahlen - und Topmodels.
von  Natalie Kettinger
Der Blick geht über München: Huber im Bayerischen Landtag.
Der Blick geht über München: Huber im Bayerischen Landtag. © Sigi Müller

AZ: Herr Huber, sind Sie ein Wadlbeißer?
MARTIN HUBER: Als Generalsekretär muss man beides können - verbindend sein und wenn es darauf ankommt, klare Kante zeigen.

Sie waren die zweite Wahl des Parteivorsitzenden für diesen Posten - ist das ein Malus?
Wenn ich mir anschaue, wie Markus Söder begründet hat, warum er sich für mich entschieden hat, fühle ich mich nicht als zweite Wahl. Ich bin sehr gerne Generalsekretär und es macht mir Spaß.

Kurz nach Ihrer Ernennung wurden Plagiatsvorwürfe gegen Ihre Doktorarbeit laut. Sie selbst haben die LMU daraufhin um Überprüfung gebeten. Gibt es schon etwas Neues?
Mir ist nichts bekannt. Und nochmal: Ich habe diese Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen verfasst.

Huber: "Die Zusammenarbeit mit Markus Söder ist exzellent"

Noch sind Sie relativ unbekannt. Wie schwierig ist es, sich als Generalsekretär zu positionieren, wenn der Chef derart omnipräsent ist wie Markus Söder?
Die Zusammenarbeit mit Markus Söder ist exzellent und das Vertrauen, das er in mich setzt, ehrt mich sehr. Am Ende ist immer entscheidend, dass wir als CSU für die Menschen arbeiten, für Bayern - und das natürlich auch gut nach draußen tragen.

Der 44-jährige Martin Huber aus Töging am Inn ist seit 2013 Landtagsabgeordneter und seit dem Rückzug von Kurzzeit-Vorgänger Stephan Mayer Anfang Mai Generalsekretär der CSU.
Der 44-jährige Martin Huber aus Töging am Inn ist seit 2013 Landtagsabgeordneter und seit dem Rückzug von Kurzzeit-Vorgänger Stephan Mayer Anfang Mai Generalsekretär der CSU. © Sigi Müller

Ihr Job ist jetzt der Landtagswahlkampf. 2018 landete die CSU bei 37,2 Prozent, bei der Bundestagswahl waren es nur mehr 31,7 Prozent. Wie wollen Sie das Ruder rumreißen?
Erstens gab es gerade eine Umfrage, bei der die CSU bei 39 Prozent steht und 53 Prozent mit Markus Söder zufrieden sind. Ein guter Gradmesser, wo wir aktuell stehen. Und zweitens geht es jetzt darum, unsere Basis wieder zu aktivieren. Deswegen bin ich viel unterwegs und höre viel zu. Es interessiert mich, was die Menschen im Land bewegt. Nicht umsonst trägt das neue Grundsatzprogramm, an dem wir gerade arbeiten, den Titel "Miteinander". Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre ist feststellbar, wie Risse in der Gesellschaft entstanden sind, nicht nur durch Corona. Da ist es wichtig, dass wir als Volkspartei deutlich machen, dass wir zusammenführen. Dieses Miteinander ist nicht nur ein Schlagwort für mich, sondern auf drei Säulen zu sehen: das Miteinander in der eigenen Partei, das Miteinander der Partei mit den Menschen und das Miteinander von Themen. Es ist ja auch ein Merkmal von uns als Volkspartei, dass wir scheinbare Gegensätze überwinden.

Huber: "Die Wirtschaft ist nicht der Gegner des Klimaschutzes"

Was heißt das konkret?
Ein Beispiel: Klimaschutz und Wertschöpfung sind für uns keine Gegensätze. Wir denken beides gemeinsam: Statt auf ideologische Verbote setzen wir auf Fortschritt und Innovation. Die Wirtschaft ist nicht der Gegner des Klimaschutzes, sondern der Schlüssel zur Lösung der Herausforderungen. Deshalb investieren wir unter anderem im Rahmen der Hightech-Agenda 3,5 Milliarden Euro in die Forschung.

Mit welchem Wahlergebnis wären Sie zufrieden?
Das ist eine der Diskussionen, die um sich selbst kreisen und die Menschen im Land nicht wirklich interessieren. Die Menschen erwarten, dass wir sie sicher durch die Krise führen, gerade angesichts der Inflation und der steigenden Energiepreise. Da werden Lösungen erwartet und nicht Binnendiskussionen über Prozentzahlen oder Koalitionen.

In drei Sätzen: Wofür steht die CSU?
Sie steht dafür, dass wir näher am Menschen sind. Das heißt, dass wir natürlich auch die sozialen Belange im Blick haben - gerade jetzt, wo sich viele Menschen Sorgen machen, wie sie über die Runden kommen. Viele haben durchaus Abstiegsängste.

Huber: "Wir sind die Einzigen, die bayerische Interessen vertreten"

Das waren jetzt drei Sätze.
Aber nur ein Punkt. Einigen wir uns auf drei Punkte?

Einverstanden.
Der zweite ist, dass wir in ganz besonderer Weise das Lebensgefühl der Menschen treffen, weil wir so breit verankert sind: in ganz Bayern, Stadt und Land, über alle Generationen hinweg. Das gibt es nur bei der CSU. Und wir sind die Einzigen, die bayerische Interessen - im Gegensatz zur Ampel - von Europa bis hin zu den Kommunen vertreten.

Was bedeutet heute eigentlich konservativ?
Man muss zwischen struktur- und wertkonservativ unterscheiden. Strukturkonservativ ist sehr stark auf das Beharren ausgerichtet, auf das Beibehalten bisheriger Strukturen. Wertkonservativ bedeutet für mich, dass wir das, was gut ist, erhalten, aber offen sind für Neues. Ein starker Staat, Innere Sicherheit, dass sich Leistung lohnen muss, die kirchliche Soziallehre - das sind Punkte, die sind wertkonservativ und dafür stehen wir nach wie vor. Gleichzeitig sind wir offen für Neues, etwa neue Technologien, Hightech, Innovationen. Diese Verbindung vom Wertkonservativen hin zur Innovation ist auch ein besonderes Merkmal der CSU.

Martin Huber im Gespräch mit AZ-Redakteurin Natalie Kettinger.
Martin Huber im Gespräch mit AZ-Redakteurin Natalie Kettinger. © Sigi Müller

Welche Rolle kann das "C" im Parteinamen in einer zunehmend säkularisierten Welt noch spielen?
Wir setzen christliche Fundamente in praktische Politik um: Hilfsbereitschaft, Respekt voreinander, die Würde des Menschen, die Verantwortung vor der Schöpfung. Viele, die mit der Kirche vielleicht nicht mehr so viel zu tun haben wollen, beziehen sich trotzdem auf diese christlichen Werte. Deswegen bleiben sie wichtig.

 Huber: "Glaube und Institution würde ich voneinander trennen"

Der Kreuzerlass der Staatsregierung wurde zum Fall für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. War dieser Erlass ein Fehler?
Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt uns. Bayern ist vielfältig und liberal, doch das klare Bekenntnis zu unseren christlichen Werten und unserer Prägung ist wichtig.

Ist die traditionelle Nähe zur krisengeschüttelten Katholischen Kirche noch ratsam?
Das Wort Union im Namen unserer Partei steht für das Überkonfessionelle, für die Überwindung des Konflikts, dass die verschiedenen Konfessionen verschiedene Parteien hatten. Wir vereinen Katholiken und Protestanten auf einem gemeinsamen christlichen Wertefundament. Die Katholische Kirche muss sich ihrer Verantwortung stellen und zur Selbsterneuerung beitragen. Außer Frage steht die hohe Bedeutung christlicher Werte und das Engagement der Ehrenamtlichen. Doch Glaube und Institution würde ich voneinander trennen.

Zusammenführen wollen Sie hingegen Stadt und Land. Wie soll das gehen?
Zunächst einmal dadurch, dass man nicht unterschiedlich wertet, wie es bei den Grünen passiert. Die sagen, das Leben in der Stadt sei hip, ökologisch und modern, das Leben auf dem Land hingegen weniger gut. Dabei ist es die freie Entscheidung der Menschen, wie und wo sie leben wollen und das Leben in der Stadt ist genauso gut wie das Leben auf dem Land. Deshalb muss die Politik die Rahmenbedingungen so setzen, dass beides unter ähnlichen Verhältnissen passieren kann.

Und das heißt?
Dass wir auch im ländlichen Raum kulturelle Angebote weiter fördern, dass der ÖPNV weiter ausgebaut wird und dass wir Infrastrukturmaßnahmen begleiten. Beim Breitbandausbau ist Bayern absolute Spitze. Dass wir bei Behördenverlagerungen und den Universitäten auch im ländlichen Raum die Strukturen stärken. Gleichzeitig muss man in der Stadt die Lebensqualität erhalten. Deswegen gibt es bei den bayerischen Ministerien etwa Programme für Urban Gardening und Urban Greening, auch, um den Klimaschutz in der Architektur voranzubringen. Das ist für mich das Entscheidende: dass es sich in Bayern überall zu leben lohnt - und dass man nicht Stadt und Land gegeneinander ausspielt.

 Huber: "Für junge Familien wird es immer schwieriger, sich Eigentum zu schaffen"

Sie haben gesagt, es sei die freie Entscheidung der Menschen, ob sie in der Stadt leben oder auf dem Land. Das stimmt nicht ganz. Eine Wohnung in München muss man erst einmal finden und dann auch bezahlen können. Auch die staatliche BayernHeim hat daran bislang nichts geändert.
Bisher war der Wohnungsbau Aufgabe der Kommunen. Weil es dort nicht entsprechend vorangegangen ist, unterstützt der Freistaat. Aber die Planungs- und Umsetzungsphasen am Bau sind oftmals herausfordernd. Jeder, der selbst einmal gebaut hat, weiß, wie lange Ausschreibungen und Auftragsvergaben dauern. Aber: Während andernorts über Enteignungen nachgedacht wird, boomt der Wohnungsbau in Bayern, auch privatwirtschaftlich. Dafür wollen wir weitere Anreize setzen. Denn die Frage nach bezahlbarem Wohnraum spielt mittlerweile im ländlichen Raum ebenfalls eine Rolle. Auch dort können sich viele Menschen Wohnraum nicht mehr leisten. Gerade für junge Familien wird es immer schwieriger, sich Eigentum zu schaffen, was ja wichtig für die Altersvorsorge wäre.

Die Grünen sind mittlerweile so weit in die politische Mitte gerutscht, dass man sie ebenfalls als konservativ bezeichnen könnte. Wäre Schwarz-Grün auch etwas für Bayern?
Die Grünen haben das Manko, dass sie das Miteinander der Themen nicht so auf dem Schirm haben wie wir.

Also doch wieder ein Bündnis mit den Freien Wählern?
Koalitionsfragen stehen jetzt wirklich nicht an.

Was steht denn an?
Wie wir in Sachen Inflation vorankommen. Die Ampel hat es verpasst, richtige Entlastungen zu beschließen, und lässt die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Sorgen im Stich. Wir haben vorgeschlagen, die Energiesteuer zu senken und die drei verbliebenen Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen, um die drohende Energielücke zu schließen. Ich wundere mich schon, dass die Grünen einerseits vom Klimawandel als größter Herausforderung sprechen und andererseits Kohlekraftwerke länger laufen lassen wollen. Da ist unser Vorschlag zielführender.

"Lieselotte mit ihrem abgedrehten Humor - das war schon frisch!"

Es wird Probleme bei der Beschaffung von Brennstäben geben, außerdem wurde die vorgeschriebene Sicherheitsprüfung für Isar 2 ausgesetzt, weil das AKW ja Ende des Jahres abgeschaltet werden soll. Wie kann man es da guten Gewissens weiterlaufen lassen?
Dass es schwieriger wird, die Reaktoren länger laufen zu lassen, liegt nicht an uns, sondern an der Bundesregierung, die sich dagegen wehrt. Aber angesichts des Klimawandels ist es doch absurd, sich auf die Kohle zu stützen. Ein Tüv-Gutachten hat bestätigt, dass eine moderate Laufzeit-Verlängerung möglich ist.

Zum Schluss etwas völlig anderes: Sie haben sich auf Facebook als Fan von "Germanys Next Topmodel" geoutet. Was gefällt Ihnen daran?
Ich finde die Sendung zum Teil ganz witzig. Und Lieselotte (mit 66 Jahren die zweitälteste Teilnehmerin der 16. Staffel, d. Red.) war natürlich ein Original, eine wahre Marke. Mit ihrem abgedrehten Humor und ihrer Tiefenentspanntheit hat sie mich schwer beeindruckt. Das war schon frisch!

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