Interview

CSU-Chef Thomas Kreuzer: "Ich freue mich aufs Fischen"

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer über Streit mit Markus Söder, das Stammstrecken-Debakel und seinen Abschied aus der Politik.
Heidi Geyer |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Thomas Kreuzer verabschiedet sich nach sechs Wahlperioden aus dem Landtag.
Thomas Kreuzer verabschiedet sich nach sechs Wahlperioden aus dem Landtag. © Daniel von Loeper

Kempten - AZ-Interview mit Thomas Kreuzer: Der 63-jährige Jurist arbeitete als Richter und Staatsanwalt. Neben seiner Arbeit als Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag ist er Stadtrat in seiner Heimat Kempten.

AZ: Herr Kreuzer, am Mittwoch wurden die Untersuchungsausschüsse zur Zweiten Stammstrecke und dem Nürnberger Zukunftsmuseum genehmigt. Was kommt da auf die CSU zu?
THOMAS KREUZER: Für mich sind das Wahlkampfmanöver der Opposition. Zum Nürnberger Zukunftsmuseum ist ja alles bereits untersucht. Bei der Stammstrecke sehe ich es ähnlich. Bauherr ist die Deutsche Bahn und damit ist sie für die Planung und die Kosten verantwortlich. Und eben nicht das Land Bayern. Der Erkenntnisgewinn aus den Untersuchungsausschüssen wird aus meiner Sicht nicht groß sein, aber wir beteiligen uns. Wir haben als CSU auch dafür gesorgt, dass die Ausschüsse noch vor Weihnachten eingesetzt wurden.

"Die Opposition wollte einen Untersuchungsausschuss"

Beim U-Ausschuss zum Zukunftsmuseum stritt man im Vorfeld lange um den Fragenkatalog zu den Parteispenden. Haben Sie da nicht die Sorge, dass einige Bürger jetzt erst recht denken, dass es da Verflechtungen gibt?
Im Fragenkatalog waren Suggestivfragen und solche, die man als Schuss ins Blaue bezeichnen kann. Diese sind schlicht rechtlich nicht zulässig. Wir haben uns bemüht, dass wir gemeinsam zu einem rechtmäßigen Fragenkatalog kommen. Für die U-Ausschüsse mussten wir fünf zusätzliche Juristen einstellen und meine Mitarbeiter haben auch an den Wochenenden durchgearbeitet. Wenn wir andererseits den Fragen einfach nicht zugestimmt hätten, hätte man uns das vorwerfen können. Die Opposition wollte einen Untersuchungsausschuss und nun sind es zwei, weil sie sich thematisch nicht einigen konnte.

Stammstrecke: Die DB als Bauherr hat versagt

Können Sie sich im Fall der Zweiten Stammstrecke erklären, warum die Opposition und die Öffentlichkeit nicht früher von der Kostenexplosion und der Verzögerung erfahren haben?
Zahlen kann nur die Deutsche Bahn als Bauherr vorlegen. Wir haben ein Begleitgremium eingesetzt und das hat auch darauf hingewiesen, dass die Baukosten eventuell steigen könnten – durch den Zeitablauf und die Entwicklungen bei den Baupreisen. Außerdem durch die Planung der Stadt München, die die U9 mit der Zweiten Stammstrecke verknüpfen will. Wir haben die Bahn immer wieder zu neuen Kostenschätzungen und Zeitplänen aufgefordert. Dazu sah sie sich lange nicht in der Lage. Erst vor wenigen Wochen haben wir den neuen Zeitplan und die Kosten erfahren.

Wobei der Zeitpunkt, wer wann was wusste, nun zur Debatte steht.
Es ist richtig, dass wir mehrfach bei der Bahn nachgefragt haben. Wir haben aber keine Informationen erhalten. Es hatte daher keinen Sinn, mit nicht gesicherten Zahlen an die Öffentlichkeit oder das Parlament zu gehen.

Neue Gruppierungen Mitte-rechts

Die Landtagswahl steht vor der Tür, zugleich wissen viele Menschen nicht mehr, wofür die CSU steht. Wie muss sich die Partei zukünftig ausrichten?
Die Parteienlandschaft hat sich ganz grundsätzlich verändert. Viele meinen ja, die Verluste kommen daher, weil rot-grün gemeinsam so stark geworden ist. Das ist nicht der Fall. Mit der FDP, den Freien Wählern und der AfD gibt es mittlerweile Mitte-rechts neue Gruppierungen.

Wie konnten sich diese Parteien so etablieren und wie konnte die CSU das zulassen?
Die Gesellschaft hat sich verändert. Wir sehen das ja auch in anderen Ländern in Europa, etwa in Italien. Wir müssen als CSU wieder schauen, viele Interessen als Volkspartei zu bündeln. Es gibt nichts Schlechteres als wenn es nur kleine Klientelparteien gibt, mit denen man keine Kompromisse schließen kann, von denen sich die Mehrheit der Bevölkerung mitgenommen fühlt. In Berlin sieht man ja gerade, dass es mit drei Parteien schon deutlich schwieriger wird.

"Die Ampel wird so eine draufbekommen, dass es staubt!"

Droht das Schicksal der Ampel nicht vielleicht auch der CSU, wenn sie mit Freien Wählern und FDP koalieren muss?
Die Ampel ist so miserabel, dass ich mir sicher bin, dass diese Parteien bei der Landtagswahl so eine drauf bekommen, dass es staubt! Wenn sich nicht grundlegend etwas verändert, gehe ich davon aus, dass wir Chancen auf ein gutes Wahlergebnis haben. Nichts deutet darauf, dass links der CSU gute Ergebnisse möglich sind. Aus meiner Sicht besteht kein Grund zur Nervosität. Auch weil Bayern in allen Bereichen gut dasteht.

Für die CSU werden aller Voraussicht nach noch weniger Frauen kandidieren. Woran liegt das?
Es sind ja noch nicht alle Kandidaten nominiert. Das muss man abwarten. Bei der CSU ist es ja traditionell so, dass die Abgeordneten quasi alle in ihrem Stimmkreis direkt gewählt sind und nicht via Liste in den Landtag kommen. Andere Parteien haben teilweise keinen einzigen Direktkandidaten. Also wir als CSU können mit der Besetzung der Liste kaum Einfluss nehmen.

"Es ist mir nicht wichtig, ob es ein Mann oder eine Frau ist"

Warum setzten sich so wenige Frauen bei den Direktkandidaten durch?
Es gibt in der Parteienlandschaft einfach noch zu wenige Frauen. Und, um es klar zu sagen: Dem Delegierten im Ost-Allgäu ist nicht wichtig, ob es eine Frau oder ein Mann wird, sondern der beste Kandidat oder die beste Kandidatin. Wir hätten gerne mehr Frauen, aber das kann man von oben nicht entscheiden. Das ist die Aufgabe der Delegierten. Abgesehen davon braucht man auch Kandidatinnen, die sich zur Verfügung stellen. Und das ist eben auch nicht immer der Fall.

Sie werden nicht mehr kandidieren. Warum möchten Sie aufhören?
Mir macht meine Arbeit große Freude! Aber ich bin seit 1994 im Landtag und sechsmal direkt im Stimmkreis Kempten und Oberallgäu gewählt worden. Ich wollte nicht bloß für kurze Zeit noch mal in den Landtag und dann aufhören, da dann für den Rest der Wahlperiode der Stimmkreis nicht mehr vertreten gewesen wäre. Bis fast 70 möchte ich aber nicht weitermachen. Ich höre weder nach einer kurzen Amtszeit noch zu einer frühen Lebenszeit auf: Das passt scho! Es ist auch mal ein Wechsel fällig. Ich werde künftig als Anwalt im Zivilbereich tätig sein – aber nicht 60 Stunden.

"Ich freue mich aufs Fischen und die Jagd"

Haben Sie nicht die Sorge, dass Sie in ein Loch fallen?
Nein! Ich spiele zwar Golf und gehe Skifahren, aber ich habe viele Hobbys, die ich gar nicht mehr ausübe. Ich freue mich aufs Fischen, Berggehen, Reisen und die Jagd. Das geht derzeit zeitlich noch nicht. Gesundheitliche Probleme habe ich zwar nicht, aber ich freue mich auf einen Ausgleich zum langen Sitzen im Auto und am Schreibtisch.

Es war ja sehr viel Unruhe in der Fraktion - hat das auch eine Rolle für Sie gespielt?
Wir hatten eigentlich gar keine großen Querelen. Aber die Corona-Krise war eine schwierige Zeit mit sehr schwerwiegenden Entscheidungen, mit Schließungen von Geschäften und Gaststätten. Diese Situation war auch für die Abgeordneten vor Ort nicht leicht.

"Es braucht viel Diskussion"

Ist nicht die Aufgabe eines Fraktionsvorsitzenden insgesamt auch sehr undankbar? Ständig will jemand was, dann jammert wieder einer und sie müssen die Mehrheiten für Herrn Söder herzaubern.
Natürlich muss man so eine große Fraktion zusammenhalten. Es braucht viel Diskussion und Austausch, aber am Ende braucht man ein Ergebnis. "Wir können das leider nicht entscheiden, weil wir uns nicht einig sind" – so etwas geht nicht. Die Auseinandersetzung zwischen einer Regierungsfraktion und der Staatsregierung findet naturgemäß nie in der Öffentlichkeit statt. Dafür hätten die Menschen kein Verständnis.

Wann waren Sie und Herr Söder sich denn mal nicht einig?
Darüber rede ich nicht, weil das ein Vertrauensverhältnis ist. Aber ich kann Ihnen versichern: Das kommt dauernd vor. Auch, dass ein Fraktionsvorsitzender sagt: Mach ich nicht.

Vertrauensverhältnis: Ministerpräsident und Fraktionsvorsitzende

Wer setzt sich dann in der Regel durch?
Der Ministerpräsident hat natürlich die Richtlinienkompetenz. Es gibt auch Dinge, die keine Mehrheit bei der Fraktion haben. Man muss sich einigen und viel sprechen. Aber das wird nicht in einem öffentlichen Streit ausgetragen.

Herrn Söder wird oft vorgeworfen, dass er zu wenig im Landtag präsent ist.
Das Problem ist, dass er ja auch andere Dinge zu tun hat. Aber er ist immer da, wenn es für das Parlament wichtig ist.

Der Bundeskanzler hat auch viel anderes zu tun.
Der ist ja noch weniger im Parlament!

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Wenn Sie zurückschauen auf die Zeit als Politiker - war's das wert?
Ich war ja früher Richter und Staatsanwalt. Da beurteilt man abgeschlossene Sachverhalte. Als Politiker kann man auf die Entwicklung Einfluss nehmen und das erfüllt mich. Die 30 Jahre waren ja wirklich gute Jahre. Bayern hat sich wahnsinnig weiterentwickelt, das Allgäu auch. Ich habe das gern gemacht und bereue das nicht. Ich hoffe, dass es auch in Zukunft so weitergeht.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.