Club-Trainer Dieter Hecking greift durch: Frühstart mit Trillerpfeife
1200 Fans sehen den vorgezogenen Einstand des neuen Nürnberger Trainers. Der sichtet, sortiert und mistet aus und sagt: „Opfer bringen für die Trendwende“
NÜRNBERG Begeisterte Gesichter sehen anders aus. Als der neue Club-Trainer Dieter Hecking gestern, 14 Uhr, vor dem ersten Training die Kabine betrat, hielt sich die Freude der Profis in überschaubaren Grenzen. Kein Wunder, hatten doch alle bis auf Javier Pinola und Isaac Boakye ihren Urlaub abbrechen müssen und waren mittels einer Telefon-Lawine von Teammanager Boban Pribanovic aus aller Welt zusammengetrommelt worden. Albert Bunjaku beispielsweise kam direkt aus der Dominikanischen Republik angereist.
1200 Fans beim Training, "der Beweis, wie groß das Interesse am Club ist"
Angetreten waren auch rund 1200 Fans. Für Hecking, „ein Beweis dafür, wie groß das Interesse am Club ist und dass meine Entscheidung richtig war, hierher zu kommen“. Seinen Profis hatte er zuvor erklärt, „dass wir alle gemeinsam eine Trendwende schaffen wollen – und dafür sind eben Opfer zu bringen“.
Eisfüße statt brennende Grashalme
Dann ging’s los. Wobei statt „brennender Grashalme“ (Hecking bei Amtsantritt) eher eisige Füße als Resultat festzustellen waren. Manch einer beneidete da Pinola und Boakye, die laut FCN-Präsident Franz Schäfer aus Argentinien bzw. Ghana keine Flüge nach Nürnberg mehr bekommen hatten, und deshalb wohl erst heute (trainiert wird um 9.30 Uhr und 14.30 Uhr) eingreifen können.
Nicht mehr mitmachen bei den Profis dürfen Peter Perchtold, Güngör Kaya und Tomasz Welnicki. Alle drei wurden zu den Amateuren versetzt. Heckings erste Kehraus-Maßnahme.
"Wintertransfers sind schwierig und teuer"
Es wird nicht die letzte sein. Der Trainer, der im Gegensatz zu Vorgänger Michael Oenning eine Trillerpfeife beim Üben einsetzt, möchte – sofern machbar – möglichst jenen Kader am 2. Januar mit ins Trainingslager nach Belek (Türkei) nehmen, mit dem er auch die Rückrunde zu bestreiten gedenkt. Plus möglicher Verstärkungen, versteht sich. Auch wenn Hecking da eher skeptisch ist. „Wintertransfers sind schwierig und teuer. Aber wir werden sehen, was sich realisieren lässt.“
Hecking will Peer Kluge halten
Gesucht werden Spieler in allen Mannschaftsteilen. Laut Hecking soll auch der von Schalke umworbene Peer Kluge nach Möglichkeit in Nürnberg bleiben. „Ich werde mit Peer reden und ihm sagen, dass ich ihn behalten möchte. Ob er bleiben will, steht auf einem anderen Blatt. Aber Peer ist Profi genug, um zu wissen, dass Verträge auch zu erfüllen sind.“
Schalke hat sein Angebot abgegeben. Spekuliert wird mit einer Ablöse von über einer Million Euro. Manager Martin Bader will das Gespräch zwischen Kluge und Hecking abwarten. Kluges Vertrag beim Club verlängert sich im Mai automatisch, sollte Peer auf über 20 Einsätze kommen. Ob der Vertrag aber auch für die Zweite Liga gilt, darüber entscheidet letztlich der Club.
"Selbstvertrauen durch Erfolgserlebnisse"
Hecking denkt natürlich nicht an einen Abstieg – und sagt auch, wie er diesen vermeiden will. „Zweikämpfe gewinnen, Selbstvertrauen durch Erfolgserlebnisse schaffen, am besten gleich beim Start auf Schalke – und einen langen Atem haben.“ Kommt das Selbstvertrauen zurück, „dann“, so Hecking, „sind wir nicht schlechter als andere Mannschaften.“ Platz 15 soll’s werden am Saisonende. Gelingt dies, wird die Freude bei den Fans groß sein. „Mir ist es lieber, wenn ich am 8. Mai gefeiert werde, als ein euphorischer Empfang jetzt“, sagt Hecking.
Frieden zwischen Roth und Schäfer
Auch die FCN-Offiziellen gaben sich zuversichtlich. Einige hatten ebenfalls ihre Weihnachtsferien unterbrochen, um beim Trainingseinstand von Hecking dabei zu sein. Aufsichtsrat Lothar Schmauß („Ich glaube fest daran, dass wir drinbleiben“), sein Kollege Klaus Wübbenhorst (GfK) und Präsident Franz Schäfer, der extra aus Oberstaufen angereist war, ebenso. Schäfer las auch stolz die guten Wünsche seines Vorgängers Michael A. Roth vor, die ihm dieser per SMS aus Florida gesendet hatte. „Fröhliche Weihnachten“, simste Roth – und: „Ich gratuliere Dir zur Verpflichtung von Dieter Hecking. Ich glaube, er ist der richtige Mann für den Club.“ Das Kriegsbeil zwischen Roth und Schäfer scheint also auch begraben zu sein.
Wieder kein Winterurlaub für Martin Bader
Bader, für den gestrichene Winterurlaube schon Routine sind, weil es ihm praktisch jedes Jahr widerfährt, beobachtete Heckings Aufgalopp telefonierend hinter Glas – von seinem Büro aus. „Er hat viel zu tun“, erklärte Schäfer. Dabei wirkte Bader relativ entspannt. So gab’s am Ende doch noch ein paar zufriedene Gesichter beim 1. FCN. ERG